Samstag, 24. August 2013

Zizek in Teheran (54)


Teheran Museum of Contemporary Art

Soweit der Bericht des Gefängnisarztes. Ich sitze wieder auf dem Analysesessel. Würgen macht müde. Auf dem Analysesessel aus Graz. Plüschiger Halbkreis, umrundet mir, Armchair Thinking, den Rücken. Abgesessen liebe ich und bequem. Sitzen und baumeln, mit der Seele, sagen sie - also nix Thinking –, wenn sie auf der Wiese liegen, in Graz.

Die Psychoanalyse ist besser als der Kapitalismus, sagte mein Lehranalytiker, oder zitierte er Jaques-Allain Miller? Im Kapitalismus muß der Kapitalist die Arbeiter zahlen, hingegen kriegt der Analytiker dafür bezahlt, daß die Analysandin arbeitet.

Ist das jetzt zynisch oder kritisch? An die Antwort erinnere ich mich nicht. Sie hatte, i.e. die Antwort, mit Antisthenes zu tun, Sokratesschüler, der die Schule der Kyniker gründete und der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Siehe Wikipedia, LeserIn, oder lies Bücher.

Weiß immer noch nicht, was es mit der Schrift auf sich hat. Also doch: Arbeiten!. Dabei habe ich gerade. Gebrüllt und - schon vergessen? – gewürgt.

Auch jetzt, da ich wieder im Sessel sitze, fährt der Gefängnisarzt fort, zu berichten. Daß er schließlich die Stelle im Habitat angenommen hätte. Daß sein Verfahren wegen Glaubensbeleidgung auf Namwars Intervention hin eingestellt wurde. Noch immer habe er - der Gefängnisarzt, nicht Namwar - nach dreißig Jahren den Job im Gefängnis, als Bewährungshelfer. Ohne akademischen Abschluß.


The Guardian vom 27. Januar 2012

Titel: Foltern mit moderner Kunst

Untertitel:Eine Teheraner Kunsthistorikerin hat die wahrscheinlich erste bewußte Anwendung moderner Kunst als Foltermethode aufgedeckt.

Kandinsky, Klee, Itten, Bunuel und Dali lieferten die Inspration für eine Reihe von Gefängniszellen, die im Teheran der Jahre 1979 bis 1981 gebaut wurden. Sie waren das Werk des Architekten und Hobbymalers Ashkan Namwar, dem Erfinder der „psychotechnischen“ Folter. Angeregt durch Ideen der Surrealisten, der geometrischen Abstraktion sowie durch avantgardistische Theorien über psychologische Auswirkungen von Farben, baute Namwar zusammen mit Mitarbeitern des 1979 geschlossenen Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst seine berüchtigten sogenannten „farbigen Zellen“ im berüchtigten sogenannten „tiefen Gefängnis“, einem Teil des Habitat-Gefängnisses in Teheran.

In den 1,80 x 0,90 Meter großen Zellen, in denen man  nach dem Sieg der Revolution Säkulare, Liberale und Linke zu foltern begann, wurden Betten in einem Winkel von 20 Grad aufgestellt, so daß es fast unmöglich war, in ihnen zu schlafen. Ziegelsteine und andere „geometrische Blockaden“ schränkten die Bewegungfreiheit der Häftlinge ein. Diese waren gezwungen, stundenlang die Zellwände anzustarren, die Namwar mit schwindelerregenden, quadratischen, würfelförmigen und Spiralmustern bemalt hatte. Lichteffekte vermittelten den Eindruck, daß sich die Muster an den schrägen Wänden bewegen würden.

wird fortgesetzt

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