Donnerstag, 24. April 2014

26. April: Ein Doppelkonzert im HUT



Am 26. April finden zwei Konzerte im HUT statt:

Duo Veronika Mayer & Lale Rodgarkia-Dara

und

Thomas Havlik: "Syllables-Shooter"

Start: 21 h 

HUT (Hinterhof Unter Terrain )
Sechshauserstrasse 28
1150 Wien
more info's on
http://www.hutraum.wordpress.com/


Duo Veronika Mayer & Lale Rodgarkia-Dara
Veronika Mayer: electronics
Lale Rodgarkia-Dara: electronics, literature

Die beiden Wiener Soundkünstlerinnen kreieren subtile Geräuschwölkchen an entspanntem Gemurmel in sonoren Zwischenräumen. Lale Rodgarkia-Dara kocht mit elektroakustischen Soundscapes, Elementen von hausgemachter Literatur und der extravaganten analogen Sansula während Veronika Mayer voll und ganz ihren Fokus auf das  markante Soundresultat richtet: sanfte minimale Veränderungen in der Soundmodulation durch Beobachtung kleinster Unterschiede und Variationen im Zuge des Manipulationsprozesses.

Thomas Havlik: "Syllables-Shooter"

lyrik, soundpoetry, laptop, voice-processing, letter-sampeling, performance. an expressive soundpoetry performance combining voice live-processings with prepared micropieces of letters, alphabetic strings, phonems and textsnippets. creating languages of the subconciousness - and destroying them.

Thomas Havlik, born 1978, in Scheibbs, Lower Austria, currently living and working in Vienna. Autor, soundpoet, performance – and radioworks. Releases in literature magazines and on radio. Initiator and co-editor of the online magazin “huellkurven”, which is dedicated to sound poetry, poésie sonore, lautpoesie, noise poetry, sound-text composition, auditive poesie etc. At least: "Start Stipendium für Literatur", 2011, BMUK; Residency Renkum/Netherlands, 2012; Winner of the Ö1- contest for lyrik “Hautnah” 2013

Mittwoch, 23. April 2014

Warum uns Psychotherapie nicht weiterhilft – Plädoyer für Psychoanalyse (9)



"Wir müssen also nach den spezifischen Bedingungen suchen, die das Zeitproblem manifest werden lassen. Und - à propos ‚Zeitproblem’: Ich frage mich, ob wir dem ‚Zeitproblem’ der Analysandin gerecht werden, wenn wir es als ‚Zeitproblem’ der Analysandin auffassen, statt als ‚Zeitproblem’ in einem anderen Sinn: Als ein Problem der Zeit - unserer heutigen nämlich. Freud, schreibt Adorno, sei ‚in den innersten psychologischen Zellen auf Gesellschaftliches gestoßen’. Wenn die Analysandin sagt, sie habe das Gefühl, daß sie das, was ihr Vater von ihr wolle, nicht nur befolgen sondern auch wünschen müsse, artikuliert sie ein Gebot, das mir für die Kultur der Gegenwart typisch zu sein scheint: ‚Wo Befehl ist, soll Wunsch werden’. Dieses Gebot - oder ‚Zeitproblem’ im Sinne eines Problems unserer Zeit - ist mir erstmals bei meiner Beschäftigung mit der heutigen Arbeitswelt aufgefallen. 

Heute genügt es nicht mehr, einfach nur einen Job zu erledigen, es geht um mehr. In  Bewerbungsgesprächen etwa werden wir nicht mehr bloß nach der beruflichen Qualifikation abgeklopft - Bewerbungsgespräche sind heute eine Art Seelenbeschau: Es geht um Motivation, soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz, Verantwortungsgefühl, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit. Vor allem aber geht es um das Eine: Wir sind aufgefordert, uns mit ‚unserer’ Arbeit zu identifizieren. Und das nicht nur in den sogenannten kreativen Berufen. So als verkauften wir nicht nur unsere Arbeitskraft sondern unsere Seele.

Identifizieren heißt ‚Gleichmachen’. Früher sind wir in einer bestimmten Arbeitszeit unserer Arbeitspflicht nachgegangen, um danach ‚frei zu haben’, oder zu sein – heute machen wir uns mit der Arbeit gleich, sind also die Arbeit, nichts als die Arbeit und niemals frei von der Arbeit. Arbeit macht unfrei.

Das mag übertrieben erscheinen. Aber ähnelt die Situation eines Menschen, der sich heute um eine Arbeitsstelle bewirbt – und dessen Lebenslauf sich im Idealfall wie eine einzige Vorbereitung auf genau diesen Job liest, nicht der eines Liebenden, der um das Herz seiner großen Liebe ringt - und das Gefühl hat, sein ganzes Leben bisher sei nichts als ein Vorspiel zu dieser einen Liebe gewesen? Und: So wie der einen großen Liebe mehrere andere, größere oder kleinere Lieben folgen mögen, so könnte auch unser Bewerber den Job, sollte er ihn tatsächlich antreten, vielleicht bald wieder verlieren. Nicht wegen mangelnder Motivation, oder Identifikation – sondern weil er eingespart werden muß. Tatsächlich scheint zwischen der Arbeitsplatzsicherheit und dem Gebot, sich mit Herz und Seele an die – immer unsicherer werdende - Arbeit zu binden, ein umgekehrtes Verhältnis zu herrschen. Allgemeiner: Je verbreiteter prekäre Arbeitsverhältnisse sind (also Arbeitsverhältnisse mit mangelnder Arbeitsplatzsicherheit, mangelndem Kündigungsschutz, niedrigem Lohn, keiner oder zu geringer sozialrechtlicher Absicherung und fehlender Interessensvertretung) desto gebieterischer erscheint das Gebot, uns ‚unserer’ Arbeit hinzugeben und mit ihr zu verschmelzen, damit uns die Arbeit - so wie der Analysandin die Gebote des Vaters – nicht nur Befehl ist, sondern auch Wunsch."

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Sonntag, 20. April 2014

Warum uns Psychotherapie nicht weiterhilft – Pädoyer für Psychoanalyse (8)



„ ... sollten wir uns, noch bevor wir nach Lösungen suchen, fragen, ob wir wissen – oder wissen wollen -, was überhaupt das Problem ist. Sie übersehen, daß sich das ‚Zeitproblem’ nicht in allen Situationen zeigt, in denen die Analysandin mit sogenannten Vater-Figuren konfrontiert ist. Zur Analyse kommt sie regelmäßig zu spät. Während der psychiatrischen Behandlung hingegen ist sie - und das bei ein und derselben ‚Vaterfigur’ - stets pünktlich gewesen, genauso wie unter dem alten Chef, oder früher in der Schule, aber im Gegensatz zu den Teambesprechungen unter dem neuen Chef, und zu den Klarinettenstunden: Da ist sie - bzw. war sie – unpünktlich.“

Bevor wir die Theoretikerin weiterreden lassen, sollten wir erwähnen, daß der Analytiker zu Beginn dieser Gruppensitzung zum ersten Mal genaueres von der Partnerkrise der Analysandin berichtet hat, jenes andere Problem, das sie neben der beruflichen Problematik veranlaßt hat, sich in Analyse zu begeben.

Ihr „eheliches Sexualleben“, habe sie so die Analysandin wörtlich, „als halbwegs o.k.“ empfunden, wenn auch nicht als überwältigend“, bis sich ihr Mann ihren Wunsch nach mehr sexueller Experimentierfreude zu eigen gemacht hätte - oder umgekehrt, sie seinen? So genau wisse sie das nicht mehr. Seither würden sie im Bett sexuelle Phantasien austauschen. Ihr Mann nenne das Kreativsex. Am erregendsten fänden sie beide die Phantasie, daß sie Sex mit einem anderen Mann hätte. Aber es sei wie verhext. Seit sie „Kreativsex“ habe, sei sie wie blockiert. Jedes Mal, wenn sie mit ihrem Mann schlafen wolle, passiere etwas. Sie bekomme Kopfschmerzen oder Brechreiz, habe auf einmal – auch wenn sie die Initiative ergriffen hätte – keine Lust, vor kurzem hätte sie sogar „mitten im Sex“, und zum ersten Mal seit langem, wieder eine Panickattacke gehabt.

Behalten wir dieses „neue Material“ im Gedächtnis – und lassen wir die Theoretikerin weiterreden.

„Wir müssen also nach spezifischen Bedingungen suchen, die dieses Zeitproblem manifest werden lassen. Und von wegen ‚Zeitproblem’: Ich frage mich, ob wir dem ‚Zeitproblem’ der Analysandin gerecht werden, wenn wir es als ‚Zeitproblem’ der Analysandin auffassen, statt als ‚Zeitproblem’ in einem ganz anderen Sinn: Als ein Problem der Zeit, unserer Zeit, will sagen, unserer – heutigen - Gesellschaft. Freud sei, sagt Adorno, ‚paradoxerweise in den innersten psychologischen Zellen auf Gesellschaftliches gestoßen’ - aber eins nach dem anderen. Die Analysandin sagt, sie habe das Gefühl, daß sie das, was ihr Vater von ihr will, nicht nur befolgen, sondern auch wünschen müsse. Wo Befehl ist, soll also Wunsch werden.“

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Sonntag, 13. April 2014

Warum uns Psychotherapie nicht weiterhilft – Plädoyer für Psychoanalyse (7)



„Der Wunsch Ihres Vaters“, sagt der Analytiker, „soll Ihnen also nicht nur Befehl - er soll also auch Ihr Wunsch sein.“

Verlassen wir an dieser bedeutsamen Stelle den Schauplatz der Analyse, und kehren wir zu unserer Intervisionsgruppe zurück, die sich vier Wochen nach der oben beschriebenen Gruppensitzung wieder trifft. Und hören wir, wie der Lösungsorientierte zu einer verspäteten Retourkutsche gegen die Theoretikerin ausholt. Diese hatte am Ende der letzten Gruppensitzung die Frage aufgeworfen, ob es sich beim „Zeitproblem“ der Analysandin A überhaupt um Übertragung handle - eine Frage, die auch wir gestellt haben -, um dann vom Konzept der „Psychoanalyse als Arbeit“ zu sprechen, ein Konzept, das wir, hiermit sei es zugegeben, genauso wie jene Frage, von der Theoretikerin übernommen haben.

Das „neue Material“ - über das Auftreten der Unpünktlichkeit der Analysandin im Klarinettenunterricht und bei den Projektbesprechungen –, würde, so der Lösungsorientierte, eindeutig auf eine „klassische Übertragungsreaktion“ hinweisen. Die Analysandin behandle ihren Analytiker so wie ihren neuen Chef und die Klarinetten-Lehrerin. In allen drei Fällen (Klarinettenunterricht, Projektbesprechungen, Analyse) drücke ihre Unpünktlichkeit ihre ambivalente Beziehung zu ihrem Vater, resp. zu anderen Vaterfiguren aus. Denn auch wenn die Klarinetten-Lehrerin eine Frau sei, habe der Vater den Klarinetten-Unterricht initiiert – jedenfalls identifiziere die Analysandin ihn, den Musikliebhaber und verhinderten Komponisten, mit den Klarinetten-Stunden - die Klarinetten-Lehrerein sei eine „Agentin des Vaters“.

Und dann betont der Lösungsorientierte, ähnlich wie in der letzten Gruppensitzung, daß die Analysandin, indem sie nun auch dem Analytiker gegenüber die Unpünktliche spiele“, und ihm dadurch die Möglichkeit gäbe, ihr zu helfen, die Hintergründe ihrer Unpünktlichkeit zu verstehen, die Chance habe, diese ihre Unpünktlichkeit zu überwinden.

„Darum“, kontert die Theoretikerin, „daß die Analysandin ihre Unpünktlichkeit überwindet , geht es vielleicht gar nicht. Sie denken lösungsorientiert – und nicht analytisch. Abgesehen davon, daß das 'Zeitproblem' der Analysandin den Rahmen, in dem die 'Klärung seiner Hintergründe' stattfinden soll, sprengen könnte; und abgesehen davon, daß eine 'Klärung der Hintergründe' als solche nicht unbedingt eine Verhaltensänderung nach sich ziehen muß - sollten wir uns, noch bevor wir nach Lösungen suchen, fragen, ob wir wissen – oder wissen wollen -, was denn überhaupt das Problem ist.“

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Freitag, 11. April 2014

Warum uns Psychotherapie nicht weiterhilft – Plädoyer für Psychoanalyse (6)



Was wir über die Nettigkeit, Kumpelhaftigkeit und die nicht-autoritäre Haltung des typischen „postmodernen“ Chefs gesagt haben, ist in Wirklichkeit ein Zitat – so oder ähnlich hat Analysandin A einmal ihren neuen Chef in der Analyse beschrieben.

In einer künftigen Sitzung wird sie diesen ihren neuen Chef mit dem ehemaligen vergleichen (wir können uns, da wir es mit einer fiktiven Geschichte zu tun haben, die Freiheit erlauben, „in die Zukunft zu schauen“). „Mein alter Chef“, sagt sie, habe „einen konventionellen, ein wenig autoritären, aber nicht wirklich strengen Führungsstil“ gehabt. Und dann wird ihr etwas klar: Daß sie in der Phase der psychiatrischen Behandlung genauso viel Zeitdisziplin an den Tag gelegt hätte, wie gegenüber ihrem alten Chef - unter dem neuen Chef verhalte sie sich andererseits, was die Zeit betrifft, genauso undiszipliniert wie in der Analyse. Zwar gäbe es unter dem Neuen ohnehin keine fixen Arbeitszeiten, sie komme ins Büro (die Analysandin arbeitet in einem Büro für Landschaftsarchitektur) und verlasse dieses, wann immer sie wolle. Zu den gelegentlich stattfindenden Porjektbesprechungen erscheine sie aber fast immer - und oft massiv - zu spät.

In der folgenden Sitzung wird sie eine Kette von Assoziationen ausgehend von ihrer unterschiedlichen Zeitdisziplin unter dem neuen und dem alten Chef - in die Vergangenheit führen. Sie könne sich nicht erinnern, je zu spät zur Schule gekommen zu sein. Ihr Klarinetten-Unterricht – oder zumindest die Klarinetten-Lehrerin – habe aber unter ihrer Unpünktlichkeit sehr gelitten. Die Volkschule und das Gymnasium, das sie später besucht habe, hätten sich, so wie die Musikschule, in der sie Klarinetten-Unterricht hatte, in unmittelbarer Nähe der elterlichen Wohnung befunden; den Weg zu allen drei Schulen - Volksschule, Gymnasium, Musikschule – habe sie immer alleine und zu Fuß zurückgelegt. Allerdings habe sich ihr Vater wegen ihrer Unpünktlichkeit veranlaßt gesehen, sie fallweise zum Klarinetten-Unterricht zu begleiten.

Ihr Vater sei ein leidenschaftlicher Musikliebhaber, der seinen Traum, Komponist zu werden, nicht habe verwirklichen können. Er sei Richter. Er sei es gewesen, der die Idee gehabt  hätte, die damals achtjährige Analysandin zum Klarinetten-Unterricht zu schicken. Sie korrigiert sich: „Nein, das war mein eigener Wunsch - oder?“
Wessen Wunsch es gewesen sei, daß sie Klarinette lerne - ihr eigener, oder der Wunsch ihres Vaters - könne sie nicht mit Sicherheit sagen. Eines wisse sie aber - daß sie leidenschaftlich gerne Klarinette gespielt habe bzw. - auch wenn sie kaum mehr Zeit dazu fände - immer noch spiele. Obwohl ... bei genauer Betrachtung, gäbe es auch diesbezüglich eine Unsicherheit. Und nach einem kurzen Schweigen: „Ich habe nämlich seit je her das Gefühl, daß ich das, was Vater von mir will, nicht nur befolgen, sondern auch mögen muß.“

Der Wunsch Ihres Vaters, sagt der Analytiker, soll Ihnen nicht nur Befehl sein – vielmehr soll der Wunsch Ihres Vater auch Ihr Wunsch sein.

wird fortgesetzt