Samstag, 27. Juni 2020

Zizek in Teheran 203


Golden Brown Noten | The Stranglers | Ukulele
Golden Brown/Texture like sun/Lays me down/With my mind she runs ...
Was er aber
Über die Deutsche Schule gesagt hat
Der Kaschef
Das Stimmt
Ich wollte tatsächlich in die
Deutsche Schule von Teheran
Wegen Narges.

Ich liebte sie nämlich
Nicht erst als Halbwüchsiger
Sondern als Kind schon
Und begehrte
Und weiß auch nicht mehr, ob ich in jener neighborhood
Der Zugereiste war oder Narges
Sagen wir Narges

Man frage nicht
Wie es mir ging
Als ich sie
Zum ersten Mal sah
(Ich bliebe stumm
Und sagte nicht warum)
Man frage nicht
Ich sehe

Nur
Das Haar
Dessen Farbe
Weder deutsch war
(Und Licht
Und dieses
How shall I put it
Goldene Braun)
Noch Teheranisch
Um nicht brown zu sagen
(Nur heißt in der Sprache Teherans übrigens Licht) 

Golden brown
Texture like sun
Lays me down
With my mind she runs
Throughout the night
No need to fight
Golden Brown 

Kommentar unter ein Video auf You Tube

I want to describe a memory i have of this song. I was very young (about 7 or 8). It was a winter morning and i was sitting in the front television room playing with Lego on the floor. In Tehran we had an early Friday morning TV show called Kahshm (Rage) and this was on the TV at the time. My mother was doing the ironing in the room next to me. This song came on, it was the first time i had heard it. I remember i put down my Lego and became encapsulated by this song. I distinctively remember the haziness of the video, it was then (and still is now) like someone was smoking a cigarette inside the TV. Every time i hear this song (especially the starting riff) i get brought straight back to that space and time. I see my Mum, i see my Lego on the floor, i see the huge box TV that was in the room, i hear the sounds of winter outside the window, i feel just like i felt when life was simple and i had no worries in the world. 

Narges’ Haare
Oder soll ich Nargissens sagen?
Narzissens Haare waren braun
Durch und durch, aber leuchteten so
Daß ich glauben mußte
Sie müßten
Auch in der Dunkelheit leuchten

In meiner Phantasie
In einer meiner Phantasien
War Narges die Heldin
Nicht aber wegen der leuchtenden Haare
Also Heroin
(Nicht zu verwechseln mit der in einer Szene-Metapher Golden Brown genannten Droge Heroin)
Heroin, aber keine Superheroin
Sondern 

Als ich in einem Comicheft
Das ich auf dem Geburtstagsfest meines Spiel- und Straßenkollegen
Giw in die Hand bekommen hatte (auch Giw – der eine deutsche Mutter hatte, das heißt keine deutsche, sondern aus Graz – war ein Bewohner jener, auf gut Teheranisch Mahal genannten neighborhood)
In dem Comicheft gab es eine Werbung
Als Kurz-Comic
In das ich
Hockend neben dem Swimmingpool der Giws
Hineinstarrte
Ich weiß nicht wie lang
Eine Werbung
Auf Englisch
Weshalb ich
Was in den Sprechblasen stand
Nicht ganz kapierte
Es handelte sich
Das kapierte ich
Um eine Werbung für Spielzeugfiguren für amerikanische Kinder
Im ersten Bild sah man einen Dicken im Arztkittel und Glatze
Typus verrückter Professor
Eine junge böse Frau im Bikini
Und Frankensteins Monster
Von welchem ich annahm, er würde nicht Frankensteins Monster
Sondern Frankenstein heißen

Der Professor sagte 

I need a girl for the experiment 

Woraufhin das böse girl im Bikini
Und der Frankenstein hämisch lachten

Aber das kommt später

Ich sagte, ich wollte
In die Deutsche Schule
Wegen Narges
Nämlich nur wegen Narges
Bevor nämlich Narges
Mit ihren Eltern
In unsere neighborhood zog
Hatte der Vater schon vor
Mich in die Deutsche Schule zu schicken
Weil ja die Spiel- und die Straßenkollegen
Alles Deutsche waren, respektive Halbdeutsche
Und die Deutsche Schule besuchten 
Nur ich nicht
Und Vater nicht wollte
Daß sie
How shall I put it
Mich sozial
Ausgrenzen

Die Wahrheit ist
Weder haben mich die deutschen Kinder in jener neighborhood
Wie Kaschef sagt
Ausgegerenzt
Noch die halbdeutschen
Noch war der Kreis meiner Spiel- und Straßenkollegen
Auf jene
Von Angehörigen der deutschen Kolonie von Teheran bewohnten neighborhood eingegrenzt
Ich brauchte bloß über den Hügel zu gehen
Auf dem
Das vom besagten Giw bewohnte Haus sich befand
Auf dessen Geburtstag ich jenes Comicheft in die Hände bekam
Aber das kommt später
(Die Giws wohnten, so gesehen, nicht in unsrer, sondern an der Grenze zwischen unsrer und einer andren neighborhood)
Ich brauchte also bloß über den Hügel zu gehen
Schon befand ich mich in jener
Anderen, unserer neighborhood benachbarten
Von meinen Spiel- und Straßenkollegen bewohnten
Neighborhood
Von meinen eigentlichen Spiel- und Straßenkollegen bewohnten
Will ich sagen
Welche die Schule

Pirus-Bahram

Besuchten
So wie ich
Berühmt, aber nicht so illuster
Wie die Deutsche Schule von Teheran
Deren SchülerInnen
Uns Bahramianer 

Brahmanen 

Zu nennen beliebten.

 
Vater wollte also
Daß ich die Deutsche Schule besuche
Ich aber wollte nicht
Nicht nur der Kumpel von der Pirus-Bahram wegen
Und weil mich die Deutschen eh nicht schikanierten
Sondern wegen der Aufnahmeprüfung

Dann kam die Narges

Man frage nicht
Das sagte ich schon
Wie es mir ging
Als ich sie zum ersten Mal sah
Ich bliebe stumm
Und sagte nicht warum

Wir spielten Basketball
Die Deutschen (wie ich die Deutschen und Halbdeutschen von jetzt an der Einfachheit halber nenne)
Und ich
Tag für Tag und hätten es die Eltern erlaubt
Auch des nachts
Die Narges sah zu
Ohne Korb
Wie man ohne Basketballkorb Basketball spielt?

Man nehme Pinsel und Farbe und male
Auf die Mauer des Gartens des Baumeisters Labadi
Des dicken, mißmutigen
Einen Kreis, einen gelben
Des dicken von den Deutschen, respektive Halbdeutschen
Ingenieur genannten Labadi
Respektive Intschenjör
Der freitags in seinem Garten
Gitarre spielte
Unter der Ölweide
Oder war es die in der Sprache Teherans Tar genannte 

Gezupfte Langhalslaute?

Ich weiß es nicht mehr
Des dicken und mißmutigen
Und schimpfte
Wann immer er die Farbe abwischte
Warum immer der gelbe Kreis auf der Mauer?
Ist das politisch oder was? 

Mal doch ’nen roten
Sagte der Franz
Der einzige Halbdeutsche der neighborhood
Dessen Mutter aus Teheran war und nicht der Vater
Okay sagte ich
Und malte wieder einen gelben
Kreis
Frag nicht warum
Und warum ausgerechnet ich den Kreis immer malte
Weiß ich auch nicht zu sagen
Vielleicht war es ein Privileg
Wie bei Tom Sawyer das Streichen des Zauns der Tanta Polly 

(Genauer gesagt, begannen die Deutschen, respektive die Halbdeutschen nachdem der dicke, der Ingenieur genannte Labadi der gelbe Kreis auf der Mauer (und bevor er noch Ist das politisch?) gesagt hatte, zu singen:


Auf der Mauer auf der Lauer

Sitzt ’ne kleine Wanz

Auf der Mauer auf der Lauer

Sitzt ’ne kleine Wanz



Schaut euch nur die Wanz an

Wie die Wanz tanz kann

Auf der Mauer auf der Lauer

Sitzt ’ne kleine Wanz usw.)

Und Narges schaute uns zu

Und obwohl ihr die ganzen Deutschen die ganze Zeit zuriefen 

Spiel doch mit! Spiel doch mit! 

Weigerte sie sich
Hingegen andere deutsche und halbdeutsche Mädels
Wie sie ihre Mädchen zu nennen pflegten
Sehr wohl und gerne mit uns Jungens Basketball spielten
Oder auch Fußball

Als Zuschauerin war mir die Narges aber ohnehin lieber
Als als Mitspielerin
Weil ich im Basketball gut war
Weit besser jedenfalls als im Fußball
Weil mich der Glanz in ihren Augen
Oder soll ich Narzissens sagen?
Beflügelte.

(Nicht daß du glaubst, LeserIn, daß ich im Basketball gut war des Glanzes in Narzissens Augen wegen, sondern Narzissens Augen glänzten, umgekehrt,
weil ich gut im Basketball war
Glaube ich jedenfalls
Oder glaubte)

Ich sagte dem Vater
Ich will
Woraufhin er mich zur Prüfung anmeldete
Für die Deutsche Schule
Es war Mai oder Juni
Als mir der Vater das Fibel genannte Deutschbuch der ersten Klasse der Deutschen Schule
Das den Kandidaten als Lernbehelf zur Verfügung gestellt wurde
In die Hand drückte
Ich ging in mein Zimmer.
Und stellte die Fibel
Auf die Fensterbank des Fensters
Das auf unsere Straße hinausging
Oder vielmehr Gasse
Wie sie in Graz gesagt haben würden
An deren Ende der Garten des Ingenieurs lag
Mit dem Basketballfleck, dem gelben, auf der Ziegelsteinmauer
Narges lehnte an der Ziegelsteinmauer, der roten, des Hauses der Dicken
Und schaute uns zu
(Die fünfköpfige sogenannte Familie der Dicken war, abgesehen von unserer die einzige rein Teheranische in unserer rein deutschen, respektive halbdeutschen neighborhood, obwohl TeheranerInnen weit seltener dick zu sein pflegen als Deutsche, respektive Halbdeutsche)
Manchmal lächelte Narges
Wie soll ich sagen
Für sich
Manchmal sah sie mich an
Einmal lächlte sie
Für sich
Während sie mich ansah
Da wußte ich
Ich will
In die Deutsche Schule von Teheran

Ich ging in mein Zimmer und stellte die Fibel
Auf die Fensterbank
Die Fibel der Deutschen Schule war anders
Als die Bücher der Sprache Teherans
(Vor der Revolution habe ich gelesen, LeserIn
Seit der Revolution aber nicht)
Mit gelbem Einband
Im Querformat
Ein helles leuchtendes Gelb
Roch nach Frische
Und sauber
Wohingegen die Bücher in der Sprache Teherans nach Staub
Ich stellte die Fibel auf die Fensterbank
Und streichelte
Die Gelbe
Als wäre sie das Gesicht eines Menschen
Oder eine Kätzin
Ein helles, leuchtendes Gelb
Fest und körnig 

wird fortgesetzt

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