Mittwoch, 19. September 2012

Zizek in Teheran (10)

Ich wußte es. Sobald ich es gesehen hatte. Das Portacamp, in dem sich jetzt meine Ordination für Psychoanalyse befindet. Während ich auf den Vermieter warte, stehe ich am niedrigen Zaun, aus Holz, der für einen Garten in Teheran ganz untypisch ist.

Der Vermieter, ein Alt-68er, hat schon bessere Tage erlebt. Mit schlohweißem, geringeltem Haar, aber Designerbrille. Immerhin.

Das Portacamp habe er in der Deponie eines Altwarenhändlers erworben. Natürlich sagt er Container. Industriecontainer zu bewohnen sei in Teheran eine Zeit lang in Mode gewesen. Das ist kein Industriecontainer, sage ich, und suche einen Beleg, während er zu einem Schulterzucken ansetzt. Dafür, daß der Container kein Industrie-Container gewesen sein kann. Sondern ein Klassenzimmer. Unserer Schule.


Gedicht

…………………………….. toy
Of some long forgotten boy


Das Gedicht war in Graz, Ann and Pat, und als es sich am Ende, des Buches, verabschiedete, das Geschwisterpaar, weinte ich, das uns durch den Englisch-Unterricht der Unterstufe geführt hatte. Aber kein uns in Graz. Und auch  in Teheran nicht. Dennoch  weinte ich. Als Ann and Pat, das Geschwisterpaar, das uns durch den Englisch-Unterricht der Unterstufe geführt hatte, sich verabschiedete, und das Schiff fuhr auf dem Meer ihrer Tränen. Der (allerdings nur vorübergehend) verliebten Maus. Auf dem Mars.

Den Container habe er von einem Altwarenhändler erworben, nicht wegen der Mode, des Jahres 2005, bei den Bobos, in Teheran, sondern wegen des Recycling-Gedankens. Er sei Umweltaktivist. Und um gegen die Immobilien-Mafia ein Zeichen zu setzen, die ist gefährlicher als das ganze Regime, habe er aus dem Container eine Wohnung gemacht. Er sei Architekt, aber eine Behausung sei der Industriecontainer nicht. Sondern Kunst.

Ich staune. Und schaue.

Es ist noch in Konturen erkennbar. Das Gekritzel an der Außendwand. Des Portacamps. Das Narges anlocken sollte.

mene mene tekel u pharsin

Jetzt spricht die Narzisse, Lispeln und Wispeln, niemand darf es wissen -: Geh hin!, und weiß, daß ich weiß. Wohin? hilft also nicht. Ich flüchte in die Ordination für Psychoanalyse, aber ich muß

an den Ort.

Ohnehin liegt es (das habe ich schon der Anzeige des Vermieters entnommen) um die Ecke. Die Deutsche Schule Teheran. Jetzt natürlich das

Internat für islamische Mädchen.

Geil, gell?

Aber ich will nicht.

wird fortgesetzt

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