Sonntag, 7. Oktober 2012

Zizek in Teheran (12)

Ich erröte, und wir betreten das Areal der Deutschen Schule. Sobald wir das Tor passieren, biegen die Mädchen nach links. Dort ist das Häuschen der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher. Noch immer. Wobei nicht nur die in der Sprache Teherans verfaßten, sondern auch die in die Sprache Teherans übersetzten Bücher gemeint sind, wie Die Nonne. Ich will den islamischen Mädchen natürlich folgen, aber meine Blicke. Wollen nach rechts. Hinter den Portacamps ist noch immer die Hecke. Unser Lager war im Zwischenraum zwischen Hecke und Mauer. Narges war unser Opfer. Die Narzisse.

Wie auch immer. Ich folge den Mädchen. Will sagen: Ich folge den Mädchen. Wie immer. Nach links. Natürlich hat sich auch dort nichts geändert. Nur der Rahmen des Fensters an der Längsseite des länglichen Häuschens der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher, eines Ziegelsteinbaus. Ist jetzt rot. Ein Transparentpapier hängt im Fenster, auf dem etwas geschrieben zu sein scheint, und verdeckt es zur Gänze. Der Text, wenn es denn einer ist, wird von farbigen Rechtecken, vermutlich Fotografien, unterbrochen.

Ich folge den Mädchen, oder sagen wir: Besagte Schirin u./o. ihre Kommilitonin nehmen meine Hand und führen mich in das Häuschen der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher des Internats Islamischer Mädchen. Aber weder betreten wir eine Bibliothek. Noch ist es ein Häuschen. Auch wenn es von außen gesehen natürlich eines ist. Werter Leser! Nachdem wir die Türe des Häuschens der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher des Internats Islamischer Mädchen passiert haben, befinden wir uns auf dem Haupt- oder Marktplatz einer Kleinstadt. Es könnte Graz sein. Ist es aber nicht. Draußen ist ja, oder war gerade, helllichter Tag, hier später Abend.

Spannend, nicht wahr?

Bei genauer Betrachtung befinden wir uns auf dem Bühnenbild eines Theaters. Einer Märchenbühne. Oder in einer, allerdings ungewöhnlich großen, Nische einer Märchengrottenbahn. Nicht nur sind wir an einem fremden Ort, sondern wir befinden uns in einer anderen Zeit, werter Leser. Wie bei den Texten des Gefängnisarztes. Aber - in welcher Zeit befinden wir uns? Ist es ein Haupt- oder Marktplatz des Mittelalters? Oder des Neunzehnten Jahrhunderts? Oder ein Haupt- oder Marktplatz des Mittelalters mit den Augen des Neunzehnten Jahrhunderts betrachtet?

Gepflastert jedenfalls. Aus den Vitrinen (also doch kein Mittelalter) und Fenstern, dringt grünes und oranges Licht. Sowie rosa . Die Sterne,  am Himmel, Theaterhimmel oder  Himmel über der Märchengrottenbahn, sind gelb und flackern nicht.

wird fortgesetzt

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