Beginnen wir
mit einer fiktiven Geschichte. Eine junge Architektin, verheiratet, erfolgreich,
Mutter einer Tochter, begibt sich in psychiatrische Behandlung. Sie leidet an
Panikattacken, ohne (für sie) erkennbaren Grund. Ihr Psychiater beginnt eine medikamentöse Behandlung, verbunden
mit „klärenden Gesprächen“. Die Behandlung wird nach eineinhalb Jahren
unterbrochen, da die Patientin aus beruflichen Gründen ins Ausland geht.
In der letzten
Sitzung vor dem Umzug gibt sie an, die Panikattacken „gut im Griff“ zu haben, und
äußert den Wunsch, die Psychopharmaka bald abzusetzen. Ihr Psychiater empfiehlt
ihr, auch im neuen Wohnort einen Facharzt aufzusuchen.
Zwei Jahre
später kehrt die Patientin – auch diesmal aus beruflichen Gründen – an ihren Heimatort
zurück, und meldet sich wieder bei ihrem ehemaligen Psychiater. An
Panikattacken leide sie nicht mehr, die Medikamente habe sie „in Eigenregie“
abgesetzt - die Symptome seien nicht wiedergekehrt. Nun aber habe sie den
Wunsch nach einer Psychoanalyse (ihr „alter“ Psychiater arbeitet auch als
Psychoanalytiker). Sie durchlebe gerade eine „Partnerkrise“, gleichzeitig mit
einer „beruflichen Identitätskrise“, beides sehe sie „auch als Chance“, beides
würde sie sich gerne „mithilfe der Psychoanalyse anschauen“.
Unser
Psychiater weist auf den Konflikt
zwischen seiner (früheren) Rolle als medikamentenverordnender Arzt und seiner
Rolle als Psychoanalytiker hin – willigt aber schließlich ein, die Patientin in
Psychoanalyse zu nehmen.
Bald fällt
auf, daß die Analysandin fast immer zu spät zu den Sitzungen kommt. Diese beginnen
häufig mit zwanzig-, dreißig, sogar vierzigminütiger Verspätung. Unserem Analytiker
erscheint dies umso erstaunlicher, als die Patientin während der Phase der
psychiatrischen Behandlung stets pünktlich erschienen war.
Seine Versuche
das Problem, das eine Fortsetzung der Analyse ernsthaft gefährdet, auch nur zu
benennen, scheitern aber am massiven Widerstand der Patientin.
Sie kenne ihr „Zeitproblem“,
das ihre Freundinnen regelmäßig zur Weißglut bringe, habe es in einer früheren
Therapie - einer Gesprächstherapie - „durchanalysiert“, und wolle sich nicht
immer wieder damit konfrontieren. Für sie sei ihr Unpünktlichsein ein Stück
Freiheit, das sie sich nicht nehmen lasse, so sei ihr Lebensstil, sie sei
bereit den Preis dafür zu bezahlen - und basta.
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