Sonntag, 13. April 2014

Warum uns Psychotherapie nicht weiterhilft – Plädoyer für Psychoanalyse (7)



„Der Wunsch Ihres Vaters“, sagt der Analytiker, „soll Ihnen also nicht nur Befehl - er soll also auch Ihr Wunsch sein.“

Verlassen wir an dieser bedeutsamen Stelle den Schauplatz der Analyse, und kehren wir zu unserer Intervisionsgruppe zurück, die sich vier Wochen nach der oben beschriebenen Gruppensitzung wieder trifft. Und hören wir, wie der Lösungsorientierte zu einer verspäteten Retourkutsche gegen die Theoretikerin ausholt. Diese hatte am Ende der letzten Gruppensitzung die Frage aufgeworfen, ob es sich beim „Zeitproblem“ der Analysandin A überhaupt um Übertragung handle - eine Frage, die auch wir gestellt haben -, um dann vom Konzept der „Psychoanalyse als Arbeit“ zu sprechen, ein Konzept, das wir, hiermit sei es zugegeben, genauso wie jene Frage, von der Theoretikerin übernommen haben.

Das „neue Material“ - über das Auftreten der Unpünktlichkeit der Analysandin im Klarinettenunterricht und bei den Projektbesprechungen –, würde, so der Lösungsorientierte, eindeutig auf eine „klassische Übertragungsreaktion“ hinweisen. Die Analysandin behandle ihren Analytiker so wie ihren neuen Chef und die Klarinetten-Lehrerin. In allen drei Fällen (Klarinettenunterricht, Projektbesprechungen, Analyse) drücke ihre Unpünktlichkeit ihre ambivalente Beziehung zu ihrem Vater, resp. zu anderen Vaterfiguren aus. Denn auch wenn die Klarinetten-Lehrerin eine Frau sei, habe der Vater den Klarinetten-Unterricht initiiert – jedenfalls identifiziere die Analysandin ihn, den Musikliebhaber und verhinderten Komponisten, mit den Klarinetten-Stunden - die Klarinetten-Lehrerein sei eine „Agentin des Vaters“.

Und dann betont der Lösungsorientierte, ähnlich wie in der letzten Gruppensitzung, daß die Analysandin, indem sie nun auch dem Analytiker gegenüber die Unpünktliche spiele“, und ihm dadurch die Möglichkeit gäbe, ihr zu helfen, die Hintergründe ihrer Unpünktlichkeit zu verstehen, die Chance habe, diese ihre Unpünktlichkeit zu überwinden.

„Darum“, kontert die Theoretikerin, „daß die Analysandin ihre Unpünktlichkeit überwindet , geht es vielleicht gar nicht. Sie denken lösungsorientiert – und nicht analytisch. Abgesehen davon, daß das 'Zeitproblem' der Analysandin den Rahmen, in dem die 'Klärung seiner Hintergründe' stattfinden soll, sprengen könnte; und abgesehen davon, daß eine 'Klärung der Hintergründe' als solche nicht unbedingt eine Verhaltensänderung nach sich ziehen muß - sollten wir uns, noch bevor wir nach Lösungen suchen, fragen, ob wir wissen – oder wissen wollen -, was denn überhaupt das Problem ist.“

wird fortgesetzt 

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