Donnerstag, 19. Mai 2016

Was mit Österreich nicht stimmt (2)

Arthur Seyß-Inquart wickelte den Anschluß Österreichs an Nazi-Deutschland ab

Weder die sozialdemokratische noch die konservative österreichische Volkspartei, noch auch die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss1 konnten sich zu einer Wahlempfehlung für Van der Bellen durchringen. Wer sucht, findet zwar im Internet eine Plattform namens „GewerkschafterInnen für Van der Bellen“ – der breite Schulterschluß aller Gewerkschaften gegen den Kandidaten der Rechten kam jedoch  genauso wenig zustande wie eine Unterstützung Van der Bellens seitens der Unternehmer: „Die selbständige Strategieberaterin Nina Hoppe versucht in Eigenregie die Initiative ‚Wirtschaft für Van der Bellen’ auf die Beine zu stellen, und rennt dabei gegen Mauern: ‚Es ist kaum jemand bereit, sich zu deklarieren. Das hätte ich nie gedacht.’“2 Und abgesehen von der Katholischen Frauenbewegung, dem Katholischen AkademikerInnen-Verband und der Katholischen Jungschar, übten sich Vertreter der katholischen – und, soweit mir bekannt, auch der evangelischen - Kirche in Sachen Bundespräsidentenwahlen 2016 in Schweigen; ob dies mit Van der Bellens deklariertem Agnostizismus in Zusammenhang stehen mag, sei dahingestellt. 

Und die Grünen? „‚Bitte alles, nur keinen Lagerwahlkampf’, stöhnt der grüne Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner“ am Abend des ersten Wahlgangs. „Keinesfalls“, so beschreibt das Wiener Wochenmagazin FALTER die Stimmung in den „verrauchten Salons des Palais Schönburg, in dem die Grünen den Wahlabend feierten“ - „Keinesfalls dürfe die anstehende Stichwahl zu einer Antifaschismus-Abstimmung wie in Frankeich bei der Kandidatur Le Pens ausarten [Hervorhebung von mir].“3 

Aber – warum eigentlich? Was unterscheidet Österreich 2016 von Frankreich 2002?

Kann es sein, daß der stets freundlich und verbindlich auftretende Norbert Hofer4 eine weit harmlosere politische Bewegung repräsentiert als Jean Marie Le Pen es seinerzeit tat?

Für die mit Österreich und seiner jüngsten Geschichte Unvertrauten - und die Vergesslichen:

Norbert Hofer repräsentiert eine Partei, die aus dem Verband der Unabhängigen (VdU) hervorgegangen ist –  gegründet 1949 als Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten. Zur FPÖ mutierte die VdU 1955 als die wenigen liberalen Kräfte in der Partei entmachtet wurden. Anton Reinthaller, erster Parteiobmann der FPÖ, war NS-Reichstags-Abgeordneter, SS-Brigadeführer und Landwirtschaftsminister in jener von Adolf Hitler durchgesetzten Regierung unter Arthur Seyß-Inquart, die 1938 den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich abwickelte. Die SPÖ hatte übrigens die Gründung der VdU tatkräftig unterstützt, um eine Spaltung des bürgerlichen Lagers zu bewirken. Unter der Führung des ehemaligen SS-Obersturmführers Friedrich Peter unterstützte die FPÖ 1970 ihrerseits die Minderheitsregierung des Sozialisten Bruno Kreisky. Nach einem „liberalen“ Zwischenspiel unter Parteiobmann Norbert Steger in den 1980er Jahren, übernahm 1986 Jörg Haider das Ruder, um die Partei wieder weit nach rechts zu führen. Zugleich gelang es ihm auch, der SPÖ Wähler aus sozial benachteiligten Schichten abzuwerben (Stichwort: „Modernisierungsverlierer“). Über die Grenzen Österreichs hinaus wurden Haiders Rede von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ und seine 1995 gehaltene Ansprache vor Veteranen der Waffen-SS, die er als „anständige Menschen“ bezeichnete, „die einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen“.

2005 – fünf Jahre nach dem Eintritt der FPÖ in die sogenannte schwarz-blaue Regierungskoalition mit der ÖVP - spaltete sich Haider von ihr ab und gründete seine eigene Partei, das „Bündnis Zukunft Österreich“. Die Rest-FPÖ unter Heinz Christian Strache entwickelte sich daraufhin noch weiter nach rechts und mutierte, so der Politikwissenschaftler Heribert Schieder, zur „Burschenschafterpartei“. 

wird fortgesetzt 

(1) Geschrieben am 15. Mai 2016. Am 18. Mai, vier Tage vor dem zweiten Wahlgang, erklärte Griss, sie habe ihre Stimme bereits abgegeben und Van der Bellen gewählt. Das sei aber „nicht als offizielle Wahlempfehlung zu verstehen.“ (DER STANDARD, 18. Mai 2016)

(2) Eva Linsinger, Land des Lächelns, profil vom 12. Mai 2016

(3) Nina Horaczek, Barbara Thót, Wir werden uns noch wundern, FALTER, 27. Apri 2016

(4) Hofers Verhalten im Kandidaten-Duell des Fernsehprogramms ATV stellte für viele eine Ausnahme dar: „Hofer ließ die Lächlermaske fallen. Ein autoritärer, sadistischer Spielverderber wurde sichtbar“ (Armin Thurnher, Leitartikel, FALTER, 18. Mai 2016)

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