Sonntag, 28. November 2010


Warum wir über den Islam nicht reden können (3)



Seid nett zu der Voodoo-Puppe



Wer den Islam sakrosankt stellt und dem Mißverständnis erliegt, er handle dabei antirassistisch, gleicht einem Lehrer, dem man berichtet, in seiner Schule würde ein türkischer Schüler aus rassistischen Motiven gemobbt, u.a. würde - stellvertretend für ihn - eine Voodoo-Puppe mit Nadeln durchbohrt - und der daraufhin die rassistischen Schüler ermahnt, sie mögen bitte nett zu der Puppe sein, Feindschaft gegen Voodoo-Puppen sei rassistisch.


Solch Denken in Kurzschlüssen verstellt den Blick auf das Wesentliche. Der „linksliberale“ Diskurs über kulturellen Rassismus bezeichnet das Reden des Kultur-Rassisten über Religion und Kultur („unsere Leitkultur“, „das christliche Abendland“, „der Islam“) als biologisierend bzw. pseudo-biologisch. "Biologisch" meint hier, daß kulturelle und religiöse Phänomene als verdinglicht, unabänderlich und in fixer Verknüpfung mit bestimmten Ethnien präsentiert werden. So weit so richtig. Die Vorstellung, biologische Merkmale stünden für das Fixe und Unveränderliche, entbehrt in Zeiten der Bio- und Gentechnik allerdings nicht der Ironie. Weit davon entfernt, das Unabänderliche zu repräsentieren, ist Biologie heute jener Schauplatz, an dem uns die grenzenlose Manupulierbarkeit der Grundlagen unserer Existenz vor Augen geführt wird.


Kann es sein, daß der Wunsch, eigene und fremde „Kulturen“ oder Religionen als etwas unveränderliches, unantastbares anzusehen, auch mit Verunsicherungen dieser Art zu tun hat? Nix ist fix, alles scheint auf unheimliche Art in Bewegung (die sozialen Sicherungssysteme, die Arbeitswelt, die Demografie) oder manipulierbar (unsere natürliche Umwelt, unsere Gene), und weil wir das Gefühl haben, wo immer wir hintreten, den Boden unter den Füßen zu verlieren, brauchen wir – und „wir“ meint nicht nur die (Kultur-)Rassisten unter uns - etwas, das und woran wir uns festhalten können, und dieses „etwas“ nennt sich aus irgendeinem Grund heute wieder „Kultur“ oder auch „Religion“.


So weit so banal. Aber mit dem Festhalten ist es so eine Sache. Greifen wir hin, um uns festzuhalten, ist da nichts greifbares. Wer z.B. fragt, was das sein soll „unsere Leitkultur“ oder „das christliche Abendland“, erhält als Antwort im besten Fall weitere, inhaltsleere Worthülsen, im schlimmsten Fall Lächerlichkeiten - oder Gehässigkeiten. Aber ihrer Substanzslosigkeit zum Trotz beherrschen „Leitkultur“, "christliches Abendland" und Co. (und auch das Unwort „Integration“ gehört hierher) seit Jahren nicht nur die politische Debatte, sondern auch das Denken und Handeln der politischen Akteure. Ersatz-Begriffe eines Ersatz-Diskurses, und eine Ersatz-Politik mit Ersatz-Politikern, die aufgehört haben, politisch zu denken und zu handeln. Es ist, als wunderte man sich über einen Lastwagen, den jemand zum Fliegen bringt, indem er ihn an ein paar Luftballons anbindet, bis man begreift, daß der Lastwagen selbst ein gigantischer Lufballon ist.


In ihrer Wirkmächtigkeit, ihrer Unbestimmtheit und ihrer Abwehrfunktion gegen Verunsicherungen aller Art spielen „Leitkultur“ und Co. in der öffentlichen Sphäre eine ähnlich unheilvolle Rolle wie das Gebot des „positiven Denkens“ in der privaten Ideologie postmoderner Erfolgsmenschen.



Bei den Nazis, da war es noch die Rasse, an die nun schon der Dümmste nicht mehr glaubt. Ich würde denken, daß in der nächsten Stufe der regressiven Ideologie es das Positive sein wird, an das die Menschen glauben sollen, etwa in dem Sinn, wie man in Heiratsannoncen die Formulierung ‚positive Lebenseinstellung‘ als etwas ganz besonders Empfohlenes empfindet.“ (Theodor W. Adorno: Vorlesungen zur Negativen Dialektik. Frankfurt, 2007, S. 33ff., Hervorhebungen von mir)


Nun sag, wie hast Du‘s mit der Religion?



Für Kultur-Rassisten (und vergessen wir nicht, solche finden sich mittlerweile auch in den Reihen der Grünen, von den Konservativen und Sozialdemokraten reden wir lieber nicht) funktionieren Begriffe wie „unsere (Leit)kultur“ immer nur als Gegen-Begriffe – vor allem eben gegen „den Islam“, ein Begriff, der seinerseits inhaltsleerer und unbestimmter nicht sein könnte. Über die üblichen medialen Schlagworte hinaus wissen wir über „den Islam“ noch weniger zu sagen, als über „unsere (Leit)kultur“. Mehr noch: Wir dürfen über den Islam nichts (wirklich relevantes) sagen, und dieses unausgesprochene und dennoch sehr wirkmächtige Tabu hat noch andere Gründe als die unglückselige Gleichsetzung der Ablehnung des Islams mit Rassismus.


Um diese Gründe zu verstehen, müssen wir uns - wieder einmal - der Gretchenfrage stellen: „Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?“


wird fortgesetzt

2 Kommentare:

voodooproof hat gesagt…

Das Bild der Voodoo Puppe gefällt mir sehr. Ist diese gekauft oder selbst erstellt worden?

Hier auch mal ein nettes Exemplar:

Voodoo Puppe

Sama Maani hat gesagt…

"Ist diese gekauft oder selbst erstellt worden?": weder noch. habe das bild nach einer langen suche im internet gefunden.
freut mich, daß es Ihnen/Dir gefällt!