Masturbations-Gutschein
„Das Gebäude, durch das die Professorin und Teheraner Feministin uns führte, beeindruckte mich. Ich beschloß Architekt zu werden. Seit meiner Einlieferung hatte ich nacheinander Musiker, Komponist - und unter dem Eindruck der Professorin und Teheraner Feministin – Feminist werden wollen“. Ich fragte mich, ob der Junge, wenn er
Teheraner Feministin sagte, eine Feministin meinte, die zufällig aus Teheran stammt, oder ob sich der Teheraner Feminismus vom Feminismus der Deutschsprachigen Berge unterscheide.
„Während uns die Professorin und Teheraner Feministin durch das Gebäude führte, erzählte sie uns die Geschichte des Instituts. Schon vor der Revolution hatte sich ein Zirkel von Sexologen, Soziologen und Psychoanalytikern über einen Widerspruch in der Religion Teherans Gedanken gemacht. Auf der einen Seite, so die Professorin und Feministin, scheint die Religion Teherans den Sex zu verdammen, ja austrotten zu wollen“, der Junge wandte sich an mich, „seit der Revolution wurden Hunderttausende in Teheran wegen sexueller Delikte verhaftet, interniert, angeklagt, gefoltert, vergewaltigt, gehenkt. Und sei es wegen Verstößen gegen die Bekleidungsvorschriften. Auf der anderen Seite sei die Teheraner Religion
von Sexualität durchtränkt wie keine andere, so die Professorin und Teheraner Feministin, deshalb müsse man den Begründer der Religion Teherans einen
Triebtheoretiker nennen. Trieb
täter, sagte das Mädchen. Bekannt seien, so die Professorin, ohne auf den
Triebtäter des Mädchens überhaupt einzugehen, bekannt seien die Anleitungen für alle Arten des sexuellen Verkehrs in Teheraner theologischen Werken“. „
Anleitungen für alle Arten des sexuellen Verkehrs“, sagte der Feine, „heißt im Übrigen das bekannteste Werk des bekanntesten Theologen Teherans,
Ali Jalali“. Es war, seit der Junge vom Klo zurück war, das erste Mal, daß der Feine überhaupt etwas sagte. Der Junge sah ihn nicht an.
„Nach der Revolution, als die Faschisten sich nicht nur politischer Gruppen, sondern auch Künstlern und Wissenschaftlern aller Art zu entledigen begannen, hatten sich die Mitglieder jenes Zirkels im Lager wiedergefunden, und um dem besagten Widerspruch in der Religion Teherans nachzugehen, gründeten sie, unter der Federführung der Professorin und Feministin, das
Teheraner Institut für Teheraner Religionssexologie.
Sagte ich schon, daß das Lager, resp. das Gelände des Lagers vor der Revolution jener Glaubensgemeinschaft gehörte, die seit der Revolution von den Faschisten verfolgt wird? Die Glaubensgemeinschaft hatte das Gelände und dessen Gebäude als eine Sommerschule für ihre jüngeren AnhängerInnen benützt. Nach und nach hätte die Sommerschule in eine Universität umgewandelt werden sollen. Auch das futuristische und weiße Gebäude, in dem das Teheraner Institut für Religionssexologie untergebracht war, hatten die“, der Junge wandte sich an mich, „in Teheran als progressiv und sehr gebildet geltenden AnhängerInnen jener Glaubensgemeinschaft errichtet.
Die Gründung des
Teheraner Instituts für Teheraner Religionssexologie schien den WissenschaftlerInnen des Zirkels, die sich im Lager wiedergefunden hatten, umso dringlicher. Nach der Revolution herrschte ein sexuell repressives Regime über eine sexuell, so die Professorin,
hyperaktive Gesellschaft, was nach Auffassung der Religionssexologen - wenn für das sexuelle Problem der Religion Teherans keine Lösung gefunden werden konnte - zu einer Katastrophen führen mußte.
Die ReligionssexologInnen hatten nun die These entwickelt, daß die Lösung des sexuellen Problems der Religion Teherans in der Religion Teherans selbst liege. Ausgehend von dem besagten Widerspruch zwischen den sexualfeindlichen und den sexualfreundlichen – oder, wie die Professorin sich ausdrückte,
perversen - Elementen in der Teheraner Religion, war den Religionssexologen aufgefallen, daß unter bestimmten Umständen bestimmte Akte, die der Religion Teherans im allgemeinen als verboten und anstößig gelten, von der Religion Teherans selbst auf einmal als erlaubt, ja als
heilig angesehen werden. Zum Beispiel die
Tempel-Masturbation“. Der Junge wandte sich an mich. „Es gibt zwar in der Religion Teherans keine Tempel, nur Bethäuser, dennoch hat sich bei uns in den Deutschsprachigen Bergen der Ausdruck
Tempel-Masturbation eingebürgert. Die Masturbation ist in der Teheraner Religion streng verboten, und Masturbierenden Teheranern, sofern sie AnhängerInnen der Religion Teherans sind, droht die Todesstrafe, resp. die Hölle. Jedoch können junge Teheraner Männer gegen Entrichtung einer Summe an Institutionen des Klerus
Masturbations-Gutscheine erwerben. Deren Besitz berechtigt für einen – der Höhe der entrichteten Summe proportionalen – Zeitraum zur Masturbation, sofern diese vom Rezitieren bestimmter Passagen der heiligen Texte der Religion Teherans begleitet wird. Rezitation und begleitende Masturbation werden in der Regel in einem Bethaus und in Anwesenheit von Geistlichen absolviert, gerne aber auch zuhause.
wird fortgesetzt