„Die meisten amerikanischen Fachleute“, so der
Journalist Harald Schumann vom Tagesspiegel,
„betrachten die Position - insbesondere - der Deutschen inzwischen nur noch
[...] als Folklore. Für die ist diese deutsche Austeritätspolitik so etwas
ähnliches wie Lederhosen und Weizenbier.“
Verwundert über die Position der deutschen
Bundesregierung zeigte sich auch Stephan
Kaufmann, Wirtschaftsexperte der Frankfurter
Rundschau.
Schon das Sparprogramm, das die griechische
Regierung als letztes Angebot unterbreitet hatte (bevor sie sich gezwungen sah,
ein Referendum über das - noch härtere - Spardiktat der Gläubiger abzuhalten), hätte, so Kaufmann
bei einem Vortrag1), „den Ruin des Landes komplettiert“, hätte es doch den Griechen weitere 5 bis 10 % ihrer Wirtschaftsleistung gekostet. Auch
dieses Angebot, eine Beinahe-Kapitulation, wurde aber schließlich von den
Gläubigern abgelehnt - vordergründig aufgrund von Kleinigkeiten. Das, zitiert
Kaufmann die Washington Post, wäre in
etwa so, als würde man jemanden zum Selbstmord verurteilen und ihm dann noch
vorschreiben, wie er ihn zu begehen
habe.
Kaufmann zitiert dann den Ökonomen Thiess Büttner,
einen Berater des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble, der in einem
Gastbeitrag für das Handelsblatt eine
Nachbesserung des Hilfsprogramms für Griechenland kategorisch abgelehnt hatte,
„selbst wenn dies zu einer Stärkung der
griechischen Wirtschaft führen sollte“.2)
„Was ist das für eine Haltung?“, wundert sich
Kaufmann, um festzustellen, daß die Bundesregierung die Angelegenheit „sehr grundsätzlich“ behandle, daß es ihr offensichtlich „um ein Prinzip“ gehe.
„Der [Bundesregierung] geht es ... bei ihren
Verhandlungen natürlich nicht um die griechischen Menschen - klar, wer hätte
das schon gedacht. Denen geht es auch nicht um die griechische Wirtschaft - das
hätte man noch denken können, weil aus der griechischen Wirtschaft sollen ja
immerhin die Erträge kommen, mit denen dann die Kredite zurückgezahlt werden,
die wir denen gegeben haben. Es geht denen ... offensichtlich auch nicht um den
deutschen Steuerzahler, daß der sein Geld zurückkriegt. Es geht ihnen aktuell
nicht einmal mehr um die Durchsetzung einer neoliberalen Agenda ... Im Moment
geht es ihnen ganz abstrakt darum, am
Fall Griechenland zu demonstrieren, daß diese
Regeln unbedingt gelten und, daß
wer wagt, sie anzuzweifeln, vor dem Staatsbankrott steht ...“
Dieses verblüffend rücksichtslose Beharren auf abstrakten Prinzipien - zu dem sich
neben Schäuble auch Merkel und ihr Stellvertreter Sigmar Gabriel (SPD) bekannt
hatten, führt Kaufmann dann in weiterer Folge auf europapolitisch-machtpolitische
Interessen der deutschen Regierung zurück. Auch wenn die Argumentation
Kaufmanns hier einleuchten mag – die Reduktion dieses Fanatismus der Regeln auf rationale
Interessen entspricht einer Rationalisierung im psychoanalytischen
Verständnis, die das Unheimliche einer Haltung, die „wenn es hart auf hart geht“,
nicht nur fremden, sondern auch eigenen
Interessen gegenüber keine Rücksicht kennt, abzuwehren versucht.
Fanatisch ist diese
Haltung, sofern sie ganz abstrakt
ist, wie Kaufmann sagt, also gegenstandslos.
Und sich vom Bereich real existierender Objekte als solchem losgesagt hat, wie jener Mann auf der Mauer sich von
der Liebe zu seinem Sohn.
wird
fortgesetzt
1) In der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, am 6.
Juli 2015
http://www.rosalux.de/event/53630
2)
http://www.handelsblatt.com/my/politik/international/finanzpolitik-in-griechenland-aufgeben-wuerde-der-sicherungsarchitektur-schaden/11360226.html