Wir klagen an!
Der folgende offene Brief wird an ausgewählte europäische Medien sowie an Repräsentanten europäischer Zivilgesellschaften verschickt. Bitte unterschreiben Sie, um unserem Protest gegen die unerträglichen Zustände im österreichischen Asylwesen das nötige Gewicht zu verleihen.
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Die große Mehrheit der Menschen ist spontan moralisch. Gegen ihre elementare Empfindlichkeit gegenüber dem Leiden der anderen muß sie erst immunisiert werden.
Slavoj Zizek
An die europäische Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaften in den europäischen Ländern
Wir klagen an!
Am 6.Oktober 2010 wurden die achtjährigen Zwillinge Dorentina und Daniela Komani – ihre schwerkranke Mutter befindet sich in stationärer Behandlung einer psychiatrischen Klinik in Wien - zusammen mit ihrem Vater von Österreich in den Kosovo abgeschoben. Eine vollbewaffnete Polizeieinheit holte die Mädchen frühmorgens ab und nahm sie, unter Zurücklassung ihres gesamten Besitzes - auch ihrer Stofftiere -, in Schubhaft. Die beiden Mädchen leben seit ihrem zweiten Lebensjahr in Österreich.
Dieser Vorfall stellt den bisherigen Höhepunkt einer besorgniserregenden Tendenz in der Asylpolitik Österreichs – und auch anderer europäischer Länder - dar: Unausgesprochen, doch immer schamloser wird der Unteilbarkeit der Menschenrechte zuwidergehandelt: Die Repräsentanten einer solchen Asylpolitik scheinen Menschenrechte für bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht mehr gelten zu lassen.
Maßgebliche politische Kräfte haben in Österreich eine gesellschaftliche Atmosphäre geschaffen, in der jene Ressentiments entstehen, auf die dieselben Kräfte dann glauben reagieren zu müssen („Wir müssen die ‚Ängste der Bevölkerung‘ ernst nehmen.“). Sie tun das durch die Verabschiedung von immer restriktiveren, in ihren Konsequenzen oft menschenrechtswidrigen „Fremdengesetzen“. Auf diese Gesetze verweisen sie wiederum, wann immer die brutalen Auswirkungen ihrer Asylpolitik kritisiert werden („Recht muß Recht bleiben!“).
Uns - das sind Österreicherinnen und Österreicher, die diese Tendenzen in der (Asyl)politik ihres Landes mit zunehmender Sorge verfolgen – hat die Nachricht von der Deportation zweier achtjähriger Mädchen, getrennt von ihrer zur Zeit schwerkranken Mutter, mit Wut und Entsetzen erfüllt.
Die Verantwortlichen für die Asylpolitik in Österreich, allem voran das österreichische Innenministerium, verweigern jeglichen substanziellen Dialog mit ihren Kritikern. Kritik wird mit Diffamierung begegnet -"Beratermafia“, „Betroffenheitsindustrie“,
„Kampagnenjournalismus“.
Wir wenden uns daher an die Europäische Öffentlichkeit, um sie - anläßlich der Tragödie der Familie Komani - auf den alarmierenden Zustand des österreichischen Asylwesens aufmerksam zu machen. Und die für diese Politik Verantwortlichen öffentlich anzuklagen.
Wir klagen
das politische Establishment Österreichs, insbesondere
die österreichische Innenministerin,
die österreichische Fremdenpolizei,
die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ),
die österreichische Volkspartei (ÖVP)
und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
an,
- „Fremdengesetze“ verabschiedet zu haben, die unweigerlich zu humanitären Katastrophen, wie im Fall der achtjährigen Komani-Mädchen, führen.
- im Fall der beiden kosovarischen Mädchen – wie in zahlreichen anderen Fällen – sogar diese Gesetze mit Füßen zu treten: Die bevollmächtigte Rechtsvertreterin der Familie Komani wurde etwa vor laufenden Kameras und völlig rechtswidrig von ihren Klienten getrennt.
- eine Situation geschaffen zu haben, in der Unrecht, das jeglichem zivilisatorischen Standard Hohn spricht, in der Wahrnehmung der österreichischen Öffentlichkeit zur Selbstverständlichkeit zu werden droht. Unrecht wird in der öffentlichen Wahrnehmung als Recht zu etablieren versucht.
Ein solches Vorgehen gegenüber Kindern ist in keinem Land der Erde und durch nichts zu rechtfertigen. Schon gar nicht in Österreich, wo „Kindertransporte“ noch vor einigen Jahrzehnten Bestandteil der nationalsozialistischen Mordindustrie waren. Wer sich in Österreich derart mutwillig gegen die Erfahrungen der Vergangenheit blind stellt, nimmt in Kauf, daß sich diese Vergangenheit oder Aspekte derselben wiederholen.
Wir appellieren an die europäische Öffentlichkeit und an die Zivilgesellschaften in den Ländern Europas,
- bei der österreichischen Bundesregierung gegen den skandalösen Kindertransport aus Österreich zu protestieren - oder ihre jeweiligen Regierungen aufzufordern, dies zu tun.
- die österreichische Regierung aufzufordern, die sofortige Heimkehr der Komani-Kinder und ihres Vaters nach Österreich zu veranlaßen, wo die beiden Mädchen seit ihrem zweiten Lebensjahr zuhause sind.
- die österreichische Regierung aufzufordern, Familie Komani für das an ihnen begangene Unrecht zu entschädigen, und sich bei ihr dafür öffentlich zu entschuldigen.
- die politisch Verantwortlichen in Österreich aufzufordern, dafür Sorge zu tragen, daß Kinder in diesem Land nie wieder in Haft genommen, deportiert oder gewaltsam von ihren Eltern getrennt werden.