Samstag, 27. Juni 2020

Zizek in Teheran 203


Golden Brown Noten | The Stranglers | Ukulele
Golden Brown/Texture like sun/Lays me down/With my mind she runs ...
Was er aber
Über die Deutsche Schule gesagt hat
Der Kaschef
Das Stimmt
Ich wollte tatsächlich in die
Deutsche Schule von Teheran
Wegen Narges.

Ich liebte sie nämlich
Nicht erst als Halbwüchsiger
Sondern als Kind schon
Und begehrte
Und weiß auch nicht mehr, ob ich in jener neighborhood
Der Zugereiste war oder Narges
Sagen wir Narges

Man frage nicht
Wie es mir ging
Als ich sie
Zum ersten Mal sah
(Ich bliebe stumm
Und sagte nicht warum)
Man frage nicht
Ich sehe

Nur
Das Haar
Dessen Farbe
Weder deutsch war
(Und Licht
Und dieses
How shall I put it
Goldene Braun)
Noch Teheranisch
Um nicht brown zu sagen
(Nur heißt in der Sprache Teherans übrigens Licht) 

Golden brown
Texture like sun
Lays me down
With my mind she runs
Throughout the night
No need to fight
Golden Brown 

Kommentar unter ein Video auf You Tube

I want to describe a memory i have of this song. I was very young (about 7 or 8). It was a winter morning and i was sitting in the front television room playing with Lego on the floor. In Tehran we had an early Friday morning TV show called Kahshm (Rage) and this was on the TV at the time. My mother was doing the ironing in the room next to me. This song came on, it was the first time i had heard it. I remember i put down my Lego and became encapsulated by this song. I distinctively remember the haziness of the video, it was then (and still is now) like someone was smoking a cigarette inside the TV. Every time i hear this song (especially the starting riff) i get brought straight back to that space and time. I see my Mum, i see my Lego on the floor, i see the huge box TV that was in the room, i hear the sounds of winter outside the window, i feel just like i felt when life was simple and i had no worries in the world. 

Narges’ Haare
Oder soll ich Nargissens sagen?
Narzissens Haare waren braun
Durch und durch, aber leuchteten so
Daß ich glauben mußte
Sie müßten
Auch in der Dunkelheit leuchten

In meiner Phantasie
In einer meiner Phantasien
War Narges die Heldin
Nicht aber wegen der leuchtenden Haare
Also Heroin
(Nicht zu verwechseln mit der in einer Szene-Metapher Golden Brown genannten Droge Heroin)
Heroin, aber keine Superheroin
Sondern 

Als ich in einem Comicheft
Das ich auf dem Geburtstagsfest meines Spiel- und Straßenkollegen
Giw in die Hand bekommen hatte (auch Giw – der eine deutsche Mutter hatte, das heißt keine deutsche, sondern aus Graz – war ein Bewohner jener, auf gut Teheranisch Mahal genannten neighborhood)
In dem Comicheft gab es eine Werbung
Als Kurz-Comic
In das ich
Hockend neben dem Swimmingpool der Giws
Hineinstarrte
Ich weiß nicht wie lang
Eine Werbung
Auf Englisch
Weshalb ich
Was in den Sprechblasen stand
Nicht ganz kapierte
Es handelte sich
Das kapierte ich
Um eine Werbung für Spielzeugfiguren für amerikanische Kinder
Im ersten Bild sah man einen Dicken im Arztkittel und Glatze
Typus verrückter Professor
Eine junge böse Frau im Bikini
Und Frankensteins Monster
Von welchem ich annahm, er würde nicht Frankensteins Monster
Sondern Frankenstein heißen

Der Professor sagte 

I need a girl for the experiment 

Woraufhin das böse girl im Bikini
Und der Frankenstein hämisch lachten

Aber das kommt später

Ich sagte, ich wollte
In die Deutsche Schule
Wegen Narges
Nämlich nur wegen Narges
Bevor nämlich Narges
Mit ihren Eltern
In unsere neighborhood zog
Hatte der Vater schon vor
Mich in die Deutsche Schule zu schicken
Weil ja die Spiel- und die Straßenkollegen
Alles Deutsche waren, respektive Halbdeutsche
Und die Deutsche Schule besuchten 
Nur ich nicht
Und Vater nicht wollte
Daß sie
How shall I put it
Mich sozial
Ausgrenzen

Die Wahrheit ist
Weder haben mich die deutschen Kinder in jener neighborhood
Wie Kaschef sagt
Ausgegerenzt
Noch die halbdeutschen
Noch war der Kreis meiner Spiel- und Straßenkollegen
Auf jene
Von Angehörigen der deutschen Kolonie von Teheran bewohnten neighborhood eingegrenzt
Ich brauchte bloß über den Hügel zu gehen
Auf dem
Das vom besagten Giw bewohnte Haus sich befand
Auf dessen Geburtstag ich jenes Comicheft in die Hände bekam
Aber das kommt später
(Die Giws wohnten, so gesehen, nicht in unsrer, sondern an der Grenze zwischen unsrer und einer andren neighborhood)
Ich brauchte also bloß über den Hügel zu gehen
Schon befand ich mich in jener
Anderen, unserer neighborhood benachbarten
Von meinen Spiel- und Straßenkollegen bewohnten
Neighborhood
Von meinen eigentlichen Spiel- und Straßenkollegen bewohnten
Will ich sagen
Welche die Schule

Pirus-Bahram

Besuchten
So wie ich
Berühmt, aber nicht so illuster
Wie die Deutsche Schule von Teheran
Deren SchülerInnen
Uns Bahramianer 

Brahmanen 

Zu nennen beliebten.

 
Vater wollte also
Daß ich die Deutsche Schule besuche
Ich aber wollte nicht
Nicht nur der Kumpel von der Pirus-Bahram wegen
Und weil mich die Deutschen eh nicht schikanierten
Sondern wegen der Aufnahmeprüfung

Dann kam die Narges

Man frage nicht
Das sagte ich schon
Wie es mir ging
Als ich sie zum ersten Mal sah
Ich bliebe stumm
Und sagte nicht warum

Wir spielten Basketball
Die Deutschen (wie ich die Deutschen und Halbdeutschen von jetzt an der Einfachheit halber nenne)
Und ich
Tag für Tag und hätten es die Eltern erlaubt
Auch des nachts
Die Narges sah zu
Ohne Korb
Wie man ohne Basketballkorb Basketball spielt?

Man nehme Pinsel und Farbe und male
Auf die Mauer des Gartens des Baumeisters Labadi
Des dicken, mißmutigen
Einen Kreis, einen gelben
Des dicken von den Deutschen, respektive Halbdeutschen
Ingenieur genannten Labadi
Respektive Intschenjör
Der freitags in seinem Garten
Gitarre spielte
Unter der Ölweide
Oder war es die in der Sprache Teherans Tar genannte 

Gezupfte Langhalslaute?

Ich weiß es nicht mehr
Des dicken und mißmutigen
Und schimpfte
Wann immer er die Farbe abwischte
Warum immer der gelbe Kreis auf der Mauer?
Ist das politisch oder was? 

Mal doch ’nen roten
Sagte der Franz
Der einzige Halbdeutsche der neighborhood
Dessen Mutter aus Teheran war und nicht der Vater
Okay sagte ich
Und malte wieder einen gelben
Kreis
Frag nicht warum
Und warum ausgerechnet ich den Kreis immer malte
Weiß ich auch nicht zu sagen
Vielleicht war es ein Privileg
Wie bei Tom Sawyer das Streichen des Zauns der Tanta Polly 

(Genauer gesagt, begannen die Deutschen, respektive die Halbdeutschen nachdem der dicke, der Ingenieur genannte Labadi der gelbe Kreis auf der Mauer (und bevor er noch Ist das politisch?) gesagt hatte, zu singen:


Auf der Mauer auf der Lauer

Sitzt ’ne kleine Wanz

Auf der Mauer auf der Lauer

Sitzt ’ne kleine Wanz



Schaut euch nur die Wanz an

Wie die Wanz tanz kann

Auf der Mauer auf der Lauer

Sitzt ’ne kleine Wanz usw.)

Und Narges schaute uns zu

Und obwohl ihr die ganzen Deutschen die ganze Zeit zuriefen 

Spiel doch mit! Spiel doch mit! 

Weigerte sie sich
Hingegen andere deutsche und halbdeutsche Mädels
Wie sie ihre Mädchen zu nennen pflegten
Sehr wohl und gerne mit uns Jungens Basketball spielten
Oder auch Fußball

Als Zuschauerin war mir die Narges aber ohnehin lieber
Als als Mitspielerin
Weil ich im Basketball gut war
Weit besser jedenfalls als im Fußball
Weil mich der Glanz in ihren Augen
Oder soll ich Narzissens sagen?
Beflügelte.

(Nicht daß du glaubst, LeserIn, daß ich im Basketball gut war des Glanzes in Narzissens Augen wegen, sondern Narzissens Augen glänzten, umgekehrt,
weil ich gut im Basketball war
Glaube ich jedenfalls
Oder glaubte)

Ich sagte dem Vater
Ich will
Woraufhin er mich zur Prüfung anmeldete
Für die Deutsche Schule
Es war Mai oder Juni
Als mir der Vater das Fibel genannte Deutschbuch der ersten Klasse der Deutschen Schule
Das den Kandidaten als Lernbehelf zur Verfügung gestellt wurde
In die Hand drückte
Ich ging in mein Zimmer.
Und stellte die Fibel
Auf die Fensterbank des Fensters
Das auf unsere Straße hinausging
Oder vielmehr Gasse
Wie sie in Graz gesagt haben würden
An deren Ende der Garten des Ingenieurs lag
Mit dem Basketballfleck, dem gelben, auf der Ziegelsteinmauer
Narges lehnte an der Ziegelsteinmauer, der roten, des Hauses der Dicken
Und schaute uns zu
(Die fünfköpfige sogenannte Familie der Dicken war, abgesehen von unserer die einzige rein Teheranische in unserer rein deutschen, respektive halbdeutschen neighborhood, obwohl TeheranerInnen weit seltener dick zu sein pflegen als Deutsche, respektive Halbdeutsche)
Manchmal lächelte Narges
Wie soll ich sagen
Für sich
Manchmal sah sie mich an
Einmal lächlte sie
Für sich
Während sie mich ansah
Da wußte ich
Ich will
In die Deutsche Schule von Teheran

Ich ging in mein Zimmer und stellte die Fibel
Auf die Fensterbank
Die Fibel der Deutschen Schule war anders
Als die Bücher der Sprache Teherans
(Vor der Revolution habe ich gelesen, LeserIn
Seit der Revolution aber nicht)
Mit gelbem Einband
Im Querformat
Ein helles leuchtendes Gelb
Roch nach Frische
Und sauber
Wohingegen die Bücher in der Sprache Teherans nach Staub
Ich stellte die Fibel auf die Fensterbank
Und streichelte
Die Gelbe
Als wäre sie das Gesicht eines Menschen
Oder eine Kätzin
Ein helles, leuchtendes Gelb
Fest und körnig 

wird fortgesetzt

Mittwoch, 17. Juni 2020

Zizek in Teheran 202


Giovanni Battista Salvi, gen. il Sassoferrato Werkstatt - Alte ...
Sagt Kaschef, neigt wie die betende Madonna von Sassoferrato den Kopf und faltet die Hände

Die Sehnsucht
Um es mit Danesch zu sagen
Der Islamischen in Teheran
Nach Amerika und dem Amerikanischen
Zeigt sich nicht nur im Linguistischen und im Kulturellen
Sondern die Kinder und Kindeskinder der Funktionäre
Der Führenden
In den Ministerien und im Parlament in Teheran und der Führer der Garden
Der Revolution und der vielen
Mit den Ministerien, den Garden
Und dem Parlament vernetzten
UnternehmerInnen
Haben alle
(Weil sie in Amerika studieren und/oder für ihre islamischen Mütter
Und Väter in Amerika Geschäfte erledigen)

Green Cards

Weshalb seinerzeit
Als der Präsident Amerikas
Den Vertrag, den sein Amtsvorgänger mit den Machthabern
Den Islamischen
Von Teheran geschlossen hatte
Zerriss
Woraufhin die Abgeordneten im Parlament
Dem Islamischen
In Teheran
Amerikanische Flaggen verbrannten

Das Volksmaul
Das Teheranische

Meinte
Daß ihr die Flaggen verbrennt
Und daß es im Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens gezeigt wird
Mag ja ganz nett sein
Verbrenntet ihr jedoch

Die Greencards

Eurer Söhne und Töchter und Enkelkinder
Wäre dies weit interessanter
Unterhaltsamer und netter

Zurück zu Kaschef und seiner Rede von der neighborhood
Den der Angeklagte als Kind
Bewohnt haben soll
Also ich
Vor lauter Lachen über den Amerikanismus
Neighborhood
Habe ich vergessen
Daß ich jene neighborhood als Kind tatsächlich bewohnte
Und Narges tatsächlich meine unmittelbare
Wie Kaschef sagte
Nachbarin war
Und jenem Gebot der Teheraner Tradition folgend
Du sollst begehren deines Nachbarn Tochter
Begehrte ich
Die halbdeutsche Nachbarin Narges
Schon als Halbwüchsiger.
        
Die neighborhood war
Wie Kaschef schon sagte, bewohnt
Von Familien der Oberschicht
Des Nordens
Von Nord-Teheran
Größtenteils von Angehörigen der deutschen Kolonie
Weshalb das Wort neighborhood noch lächerlicher erscheint
Als aus dem Munde
Eines islamischen
Kriminalpsychoanalytikers ohnehin schon.

Was er
Im Übrigen jetzt sagt, der Kaschef
Trifft auch zu
Daß nämlich

Alle Nachbarskinder der Oberschicht jener neighborhood
Im Teheraner Norden
Die mutmaßlich alle
Mit dem Angeklagten auf der Straße spielten
Die

Deutsche Schule

Besuchten
Nur der Angeklagte nicht
So daß man eine
Jener berühmten deutschen Kinderreime
Zu zitieren
Respektive zu rezitieren, versucht ist

Alle Kinder tanzen um das Feuer
Nur nicht Brigitte
Die tanzt in der Mitte

Oder

Alle Kinder rennen über’s Eis
Nur nicht Vera
Die ist schwerer

Oder ...

(M2 rollt jetzt nicht bloß die Augen. Sondern, kaum ist das Augenrollen vorbei, fixiert er den Kaschef mit einem Blick, der streng ist, beinahe wütend)

Im Anhang eines der illustren deutschen Bücher der Narges über die Psychologie der Kinder fand ich folgenden Eintrag

Sadistische Kinder

Sehr geehrte Frau Müller,

Sie bestätigen meine Vermutung, daß es schwierig ist, zum Thema Sadistische Kinder an Forschungsveröffentlichungen zu gelangen. Ich hege aber die Hoffnung, daß Sie mir vielleicht doch eine Empfehlung geben können? In meiner Praxis für Familien und Kinder behandle ich einen achtjährigen Jungen, der so sadistische Rollenspiele vollzieht, daß mir eine einfache Diagnose nicht ausreichend scheint.

Über Ihre Rückmeldung würde ich mich sehr freuen und danke Ihnen vielmals

Adolfine Hirtel

Antwort

Kinder agieren sadistisch, wenn sie von ihren Eltern sadistisch gequält wurden. Und dort dieses Verhalten gelernt haben. Es gibt keinen sadistischen Trieb. Und kein Kind, Frau Hirtler, kommt böse auf die Welt. Wie kommt es, daß sie als Psychologin noch nichts darüber erfahren haben?

Aloisia Müller

M2 rollt jetzt also nicht bloß die Augen, sondern fixiert den
Kriminalanalytiker streng.

All diese Nachbarskinder
Sagt Kaschef, neigt
Wie die betende Madonna von Sassoferrato den Kopf
Und faltet die Hände
Als wollte er sagen
Okay, ich mach ja schon weiter

All diese Nachbarskinder
Besuchten also die illustre

Deutsche Schule von Teheran

Nur nicht der spätere Mörder
Dessen Eltern
Im Unterschied zu andern Eltern
Der neighborhood
Weder wohlhabend waren
Noch deutsch

Warum sich
Der ärmliche Vater des späteren Mörders

So ein Scheiß
Sage ich
Die Anwesenheit Daneschs ignorierend
Und den Impuls unterdrückend
Das alte Fernsehgerät der Manavis auszuschalten
Wenn nicht zu zertrümmern
So ein Scheiß
Vater stammt aus der mittleren
Wenn nicht der oberen
Mittelschicht

Wearing overalls
Sagt Danesch mit amerikanischem Akzent (von wegen Amerikanophilie)
Wearing overalls on weekdays, painting somebody else’s house to earn money?
You’re working class.
Wearing overalls at weekends, painting your own house to save money?
You’re middle class.

Warum
Sagt Kaschef
Der in ärmlichen Verhältnissen lebende Vater
Des späteren Mörders
Sich im Norden von Nord-Teheran ansiedeln mußte
Ist uns nicht klar
Er hatte sich
Als erfolgloser Baumeister
Heruntergewirtschaftet
Lebte aber weit
Wie man auf Neu-Teheranisch zu sagen pflegt
Über seine Verhältnisse
In jener neighborhood
Nahe der
Deutschen Schule
Die der spätere Mörder
Im Unterschied zu den andern neighborhood-Kindern
Nicht besuchen durfte
Wiewohl der Vater ihn dort
Unterzubringen versuchte

Der Angeklagte hält
D.h. ich
Respektive mein Lookalike dort im Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens
Die Hand vors Gesicht

Aber für Kinder
Sagt  Kaschef
Die keinen deutschen Elternteil hatten
Noch in Deutschland aufgewachsen waren
Gab es eine strenge Aufnahmeprüfung
Die der Angeklagte aber leider
Nicht bestand

Der Angeklagte weint laut
Und deutlich in seine Hand
Auch mir ist zum Weinen
Vor Wut, weil der Kaschef den Vater Baumeister nennt und erfolglos
Wo er doch Architekt war
Und in keinem Prospekt der Teheraner Tourismusbehörde
Fehlt ein Bild des Habitat
Das er geplant und gebaut hat
Des futuristischsten
Wie es dort immer heißt
Gefängnisgebäudes der Welt
Oder fu-touristisch
Wie es ein Wortspiel
Der für ihre billigen Wortspiele bekannten Tourismusbehörde haben will

Was er aber
Über die Deutsche Schule gesagt hat
Das Stimmt
Ich wollte tatsächlich in die
Deutsche Schule von Teheran
Wegen Narges. 

wird fortgesetzt

Dienstag, 9. Juni 2020

Zizek in Teheran 201


خیابان یخچال - اطلاعات و بررسی متفاوت | پیاده
Ein neighborhood, bewohnt von Familien der Oberschicht des Nordens von Nord-Teheran
Das hat dem Feind
Sprach also M2
Den Arsch verbrannt
Aber zurück jetzt
Sagt er jetzt
Zum Mörder!
Und sein Gesicht signalisiert
Plötzlich Wut.

Daß er die Wut tatsächlich empfindet
Glaube ich
Dennoch aber schaut er
Oder gerade deshalb
Wie ein Schauspieler aus
Der durch
Authentizität
Zu reüssieren versucht.
Nicht authentisch wirkt hingegen das Gesicht des mutmaßlichen Mörders
Also meines, respektive meines Lookalikes
Das jetzt eingeblendet wird
Und das
Zerknirschung
Signalisiert
Respektive soll.

Wir haben einen Experten bei uns
Sagt M2
Einen Kriminalpsychologen

Kriminalpsychoanalytiker
Korrigiert der Experte
Der jetzt an meiner statt, respektive meines Lookalikes
Auf dem knallgrünen Vorhang
Hinter M2 in Erscheinung tritt.

In Erscheinung tritt aber nicht
Der Kriminalpsychoanalytiker als Ganzer
Nur der Kopf
Rund, schwarze Hornbrille, breite Nase
Und die Lippen
Wie soll ich sagen
Ragen
Aus dem Gesicht
Dennoch aber
Ist es irgendwie ein feines
Kommt mir bekannt vor.

Professor Kaschef
Sagt M2
Leiter der
Zentralanstalt Zacharias für Seelische Gesundheit der Männer
In Teheran-West
Wird über die Hintergründe des Verbrechens
Und die Seelenzustände des Mörders Auskunft geben

Aber kurz bitte!

Um den Mund
Des Professors
Spielt ein Lächeln
Ein feines

Kurz fürchte ich
Mein Führer
Geht gar nicht
Denn die Seele des Mörders
Ist mit jenem Dichter der Teheraner Jahrhundertwende
Artin Kababi
zu sprechen
Ein weites Land.

Was ihn animiert hat, zu morden
Hat glaube ich
Verzeihung Führer
Mit Sex zu tun.

Es fällt auf
Nicht nur, daß er Sex statt Sexualität sagt
Sondern er verwendet morden
Transitiv
Will sagen: Ein Akkusativobjekt nach sich ziehend.

Der Angeklagte hat eine Geliebte
Die berühmte
Und im ganzen Teheran beliebte
Schauspielerin
Narges T.

Warum er den
Im ganzen Teheran berühmt sein sollenden
Familiennamen der Narges abkürzen
Respektive
Warum er
Mit Danesch zu sprechen
Statt des Nachnamens ein Akronym verwenden muß
Ist unklar

Mit Sex
Sagt Kaschef
Und ja
Mit seiner Liebe
Zu Kardan
Wie alle Teheraner
Meiner Generation
Liebte auch der Angeklagte
Den Idol unserer Kindheit
Den Kardan.
Und genau diesem
Begegnet er
Als Sozialarbeiter im Gefängnis, wo Sie ihn
Ich meine den Kardan
Eingesperrt hatten
Mein Führer
Ohne ihn aber sogleich zu erkennen
Über die Jahre hatte der Kardan
Eine
Kartoffelnase
Entwickelt. Ein
Rhinophym

Wie wir in der Wissenschaft sagen, kann ab 30 auftreten, bei Frauen und Männern, als neurogene Entzündung. Will sagen: Als Reaktion des Nervensystems
Auf Stress.

Dem Angeklagten
In seiner Funktion als Sozialarbeiter seiner Gefängnisabteilung
Sagte der Kardan
Daß er nunmehr nur mehr
Als Übersetzer
Arbeiten wollte
Und zwar
Als Übersetzer deutschsprachiger Bücher in die Sprache Teherans
Nicht mehr als Regisseur

Später erhält er aber
Vom
Ministerium für Unterhaltung und Islamische Führung
Den Auftrag
Bei der beliebtesten Fernsehserie aller Zeiten in Teheran
Regie zu führen.

Der Angeklagte war als Sozialarbeiter
Zuständig
Für Häftlinge der Abteilung IV
Konterrevolution und Staatssicherheit
Und als solcher in den Plan
Des

Ministeriums für Unterhaltung und Islamische Führung

Eingeweiht, mit Kardan jene

Beliebteste Fernsehserie aller Zeiten in Teheran

Zu drehen
Zumal er den Kardan
Dessen Vertrauter er mittlerweile geworden
Zur Kooperation anzuhalten
Seitens des Ministeriums

Für Unterhaltung und Islamische Führung

Beauftragt worden war.

Kommen Sie zur Sache, Professor!
Sagt der Führer
Bin ich ja eh schon
Sagt Kaschef
Bin ja eh bei der Sache

Beim Motivieren des Kardans
Mit dem Ministerium
Zu kooperieren
Kooperierte der Angeklagte
Er kooperierte glänzend
Er hatte nämlich

Ein Motiv

Welches aber nicht darin bestand
Kardan möge
In jener

Beliebtesten aller Fernsehserien aller Zeiten in Teheran



Regie führen
Respektive eventuell wieder als Schauspieler zu sehen sein
Das wünschte er sich zwar auch
Das
Motiv
Aber
Hatte mit seiner Geliebten zu tun
Jener im ganzen Teheran berühmten und allseits beliebten
Schauspielerin
Narges T.

Wir müssen ausholen

(Augenrollen bei M2. Er sagt aber nix.)

T. ist halb Teheranerin, halb Deutsche
Ihre Mutter
Eine Deutsche
Hat ihren Vater
Einen Teheraner
Während seines Studiums der Ingenieurwissenschaften in Deutschland
Kennen-
Und lieben gelernt, wie man sagt
Und war ihm
Nach dem Ende seines Studiums
Noch unter dem Kaiser
Nach Teheran gefolgt
Wo sie bis zu unserer Revolution
Der Islamischen
Als Buchhändlerin in der Buchhandlung

Johann Paul Friedrich Richter

Der ersten und bislang letzten deutschsprachigen Buchhandlung von Teheran
Am ehemaligen Rooseveltplatz
Die nach unserer Revolution
Der Islamischen
Zusperren mußte
Als Buchhändlerin arbeitete.

Wo der Angeklagte die berühmte
Und im ganzen Teheran beliebte Schauspielerin kennen-
Und lieben gelernt hat
Wie man sagt
Wußte ich nicht.
Bis unsere Nachforschungen ergaben
Daß der Mörder und die Schauspielerin beinahe
Schulkameraden
Geworden waren.

Danesch schaut mich an
Mit hochgezogenen Brauen
Als wollte er
Stimmts?
Sagen
Nicht, ob es stimmt, daß ich der Mörder bin
Sondern
Ob die Narges und ich
Beinahe Schulkameraden
Geworden wären.

Die Schauspielerin
Sagt Kaschef
Besuchte nämlich
Die berühmte
Deutsche Schule
Die wir leider
Sie verzeihen mein Führer das leider
(M2 hebt die Rechte und schüttelt den Kopf
Als wollte er sagen
Kein Ding, Kaschef!)
Die wir leider
Nach unserer Revolution
Der Islamischen
Zugesperrt haben.

Die Deutsche Schule ...
Seufzt Kaschef
(Sehnsüchtig fast, als dächte er an eine am andern Ende der Welt
Verschollne Geliebte)
Wie unsere Nachforschungen ergaben
Wohnte der Angeklagte als Kind
In unmittelbarer Nachbarschaft
Unserer späteren Schauspielerin
Im Norden von Nord-Teheran
Und
In der Nähe eben jener
Deutschen Schule
Ein neighborhood
Bewohnt
Von Familien der Oberschicht
Des Nordens
Von Nord-Teheran.

Neighborhood!
Lachen Danesch und ich
Unisono
Und ich vergesse
Daß ich des Mordes angeklagt bin
Respektive mein Lookalike
Dort
Im
Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens
Ich lache
Weil die Sehnsucht
Sagt Danesch
Und das Verlangen der Islamischen in Teheran
Nach Amerika und allem Amerikanischen
Sich ausdrückt im ständigen Nennen
Um nicht penetranten zu sagen
Von Fremdwörtern aus Amerika
Seit der Machtübernahme des Islams ist Teheran
Amerikanisiert
Und seine Sprache
Und überflutet
Von Amerikanismen
Im linguistischen und im kulturellen Sinne des Wortes.



wird fortgesetzt