letztlich das
Ritual des Opfers, das den Raum für intensiven Konsum öffnet. Nachdem wir den
Göttern [...] geopfert haben, dürfen wir selbst ein herzhaftes Mahl zu uns
nehmen und uns an den Resten gütlich tun. (Slavoj
Zizek, Die gnadenlose Liebe, Frankfurt a.M. 2001, S.20)
Aber:
Statt einen freien
Konsum ohne Opfer möglich zu machen, erzeugte die moderne ‚totale Ökonomie’
[...] die Paradoxien der Sparsamkeit – es gibt keinen großzügigen Konsum,
sondern der Konsum ist nur insoweit gestattet, als er wie die Erscheinungsform
seines Gegenteils funktioniert. (Ebd.)
Mit der an Hegel angelehnten Formel vom Konsum, der
wie die Erscheinungsform seines
Gegenteils funktioniert, verweist Zizek auf die klassische
Marketingstrategie des Mengenrabatts: Im (modernen) Kapitalismus ist der
Konsument ständig mit der Forderung konfrontiert, mehr zu konsumieren - um zu
sparen. Also mehr auszugeben, um weniger auszugeben. Kauf drei - und zahl zwei (Schokoladen, Zahnpastatuben, Hosen etc.)!
Diese und andere „Paradoxien der Sparsamkeit“ resultieren
aber aus einem grundlegenderen Zusammenhang: Daß wir überhaupt sparen müssen -
etwa, weil wir als Lohnabhängige nichts als unsere Arbeitskraft (zu verkaufen)
haben - und am Ende immer draufzahlen:
Der kleinste Magnat
kann über ein Quantum von Diensten und Gütern verfügen wie kein Herrscher
zuvor; die Arbeiter jedoch erhalten das sogenannte kulturelle Minmum. Nicht
genug, daß sie am Markt erfahren, wie wenig Güter auf sie entfallen, preist der
Verkäufer noch an, was sie sich nicht leisten können. Im Verhältnis des Lohns
zu den Preisen erst drückt sich aus, was den Arbeitern vorenthalten wird [...]
Der Kaufmann präsentiert ihnen den Wechsel, den sie dem Fabrikanten
unterschrieben haben. Jener ist der Gerichtsvollzieher fürs ganze System und
nimmt das Odium für die anderen auf sich. (Max Horkheimer/ Theodor W. Adorno, Dialektik der
Aufklärung, Frankfurt a.M. 1969, S.183)
so Horkheimer und Adorno im Antisemitismus-Kapitel
der Dialektik der Aufklärung in enger
Anlehnung an Marx.
Aber es sind nicht nur Tausch- und Gebrauchswerte -
Geld und Güter - woran heute der durchschnittliche Konsument sparen muß. Oder
nicht so sehr: Denn - verglichen mit dem Lebensstandard früherer Jahrhunderte –
kann sich das „Quantum von Diensten und Gütern“, über das in den entwickelteren
kapitalistischen Gesellschaften heute viele Lohnabhängige verfügen, ebenfalls sehen
lassen. Was heute eher fehlt, ist das
„herzhafte Mahl“. Jener „intensive“ und „großzügige“ Konsum, dessen Kehrseite,
und Voraussetzung, das großzügige, intensive und „herzhafte“ (Aus)geben und Sich-Verausgaben
ist. Jenes Geben und jenes Opfern, jener befreiende Exzeß, der - um mit Lacan zu sprechen - den Ritualwert
konstituiert. Und dessen "Produktion" uns noch in den 1950er Jahren in
den "authentischeren", seither verbotenen Varianten der Potlatch-Rituale
nordamerikanischer Indianer begegnete.
Und war der
Nationalsozialismus, fragt Zizek, nicht
der [...] Versuch, dem Ritualwert durch den Holocaust, diesem gigantischen
Opfer für die ‚obskuren Götter’ [...] wieder ihren angestammten Platz
zurückzugeben? Folgerichtig war das Objekt der Opferung der Jude als Inkarnation der kapitalistischen
Paradoxien der Sparsamkeit. (Slavoj Zizek, Die gnadenlose Liebe, Frankfurt
a.M. 2001, S.20)
In Ausschwitz wurden keine Werte geschaffen, schreibt
Postone, sondern vernichtet. In Ausschwitz wurden
Werte geschaffen, würde Zizek mit Lacan antworten: Ritualwerte.
wird fortgesetzt