Dienstag, 14. Juli 2009
Was gerade passiert
Sie werden auch diesmal gewinnen, die Arschlöcher, sagt meine Mutter, die noch niemals Arschloch gesagt hat. Aber Mutter, daß Du Arschloch gesagt hast, ist ein Zeichen, es geschehen … nach dreißig Jahren ist ein Wunder geschehen. Mutter ist skeptisch.
Teheran, sagen die Experten im Radio, ist der Revolutionen schon müde. Wieviele Revolutionen hat Teheran denn schon gehabt? Je nachdem, sagt Kuros, was man als Revolution gelten lassen will, und bestellt einen Verlängerten schwarz, er ist Soziologe und Tiermediziner. Und wieviele - Österreich?
Wenn man das, was gerade passiert, Revolution nennen möchte, sagt Kuros, und bestellt noch ein Wasser, wenn man das Revolution nennen will, hat Teheran seit den Achtzehnhundertundvierziger Jahren insgesam fünf Revolutionen erlebt - alle dreißig Jahre also eine.
Die Kellnerinnen im Sperl sind die besten, und seit ich von der Webgasse weg bin, vermisse ich sie. Erstens, sagt Kuros, aber auf die wird immer vergessen, gab es die Revolution der Babi, in den 1840er und 50er Jahren, die, nachdem sie den Islam abgeschafft hatten, in die Baha’i-Religion mündeten, die Babi wurde von den Kajaren-Kaisern und vom schiitischen Klerus brutal unterdrückt - und in der Islamischen Republik sind die Baha’i vogelfrei.
Zweitens die konstitutionelle Revolution, die den Kajaren-Kaisern eine demokratische Verfassung aufoktroyierte, die aber von den Pahlewi-Kaisern faktisch außer Kraft gesetzt wurde, drittens, Mossadegh, Anfang der 50er Jahre, der das Erdöl verstaatlichen wollte und 1953 von den Amerikanern weggeputscht wurde, dann aber, viertens, die islamische Revolution, die in Wahrheit eine linke Revolution war, sagt Kuros, eine säkulare jedenfalls, aber die Islamisten haben sie usurpiert. Aber geh, sagt mein - politisch gut informierter - Freund Kaweh, der in den 70er Jahren sein Maschinenbaustudium an den Nagel gehängt hat, seither ist er politischer Aktivist und Rezeptionist in einem Grazer Hotel. Aber geh, die Revolution ist von Anfang islamisch gewesen und, im Gegenteil, wir Linken waren es, die - allerdings vergeblich - versuchten, auf den Zug dieser glorreichen Revolution aufzuspringen. Wer ist die?, fragt Kuros, und zeigt auf eines der Fenster, durch das jetzt ein Frauengesicht in das Sperl hineinschaut, auf uns, oder mich, als sie merkt, daß sie bemerkt worden ist, wendet sie ihren Kopf ab - und weg. Die kenne ich doch von wo.
Revolutionen, sagt Kuros, sind Operationen. Die Herren - ich meine, die Damen und Herren - Chirurgen haben vor 30 Jahren im Bauch der Patientin ihr Besteck liegen lassen, daher seit 30 Jahren die Beschwerden, aber die Patientin hat von Operationen genug. Nie wieder Operation!, sagt das Volk in Teheran, Nie wieder Revolution!, so wie die Österreicher Nie wieder Krieg! rufen und Nie wieder Faschismus! Die Österreicher? Nicht alle. Bei weitem. Da hat der Herr Dritter Nationalratspräsident, für den Antifaschismus ein Schimpfwort ist, ja schon recht. Aber den Islam genannten Faschismus kann man nicht mit Gandhi besiegen, sagt Kuros, da müsse man an die Bauchdecke ran. Aber - bitte - diesmal mit professionellen Chirurgen.
Fuck the Iranian Revolution - Michael Jackson is dead!, hat jemand getwittert. Er war auch der einzige schwarze Superstar ever, sagt Kuros.
Neben Obama, sagen Kaweh und ich unisono. Aber ein Schwarzer war er bei Gott nicht, sagt Kaweh, zumindest nicht optisch. Da endlich fällt mir ein, woher ich sie kenne - die vorhin durch das Fenster geschaut hat und dann wieder weg, und ich erzähle unaufgefordert, von ihr, und daß sie Du als optischer Moslem gesagt hat - zu mir, obwohl ich mehrmals erklärt hatte: Ich bin kein Moslem, resp.: Ich war niemals Moslem, und ich hatte, als Nachsatz zu Moslem, eines dieser Worte verwendet, die auch Kaweh verwendete, als er vorhin meinte, diese Revolution sei doch von Anfang islamisch gewesen.
Fortsetzung folgt – sehr bald
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