Donnerstag, 29. März 2012

Wunderland 38










Die Kollektion Hinterland

Ich soll Euch also helfen, sagte ich, daß in der Gesellschaft Teherans was weitergeht, indem ich mich von Paskarani ficken, und von Euch filmen lasse. Der Militärschneider schüttelte den Kopf, wie erschüttert, und schloß die Augen, als sei die Idee, Paskarani zu kompromittieren, nicht von ihm gekommen, sondern von mir.

Ich wollte aufstehen, oder ich sollte, und das Atelier des Militärschneiders verlassen, aber ich war auf einmal ganz ruhig. Ich bin, sagte ich, part of the game. Der Militärschneider strahlte, stand auf und umarmte mich fest und väterlich, und geleitete mich zur Tür.

Einer, der für uns zuständig war, betrat am Tag nach jenem Gespräch den Unterrichtssaal - wir hatten Konversationsunterricht, man brachte uns bei, das Interesse der Männer zu erregen, ohne vulgär zu erscheinen. Der Zuständige meinte, daß wir uns bereithalten sollten, am Nachmittag würde man uns zur Anprobe unserer Uniformen in eine Scheiderei bringen.

Die Schneiderei war ein Modesalon in Nord-Teheran, unendlich feiner als das ohnehin schon feine Atelier des Militärschneiders. Man brachte uns in eine Halle, wo eine Modeschau stattfand. Mannequinns, die aussahen, und sich bewegten, als sei der Kaiser noch an der Macht, trugen schwarze T-Shirts und Röcke, die Röcke sahen aus der Entfernung alle gleich aus, tatsächlich war aber jeder Rock mit einer anderen, ländlichen Ansicht der Deutschsprachigen Berge bedruckt - Äcker, Heuballen, Vogelscheuchen, Bauernmädchen und –jungen. Die Kollektion nannte sich Hinterland.

Wie wunderten wir uns, daß die Präsentation einer solchen Kollektion in der klerikalen Republik möglich sein konnte. Außer uns ‚Mädchen‘ und zwei hochgewachsenen Inhaberinnen des Modesalons, die wie Schwestern aussahen, befand sich noch ein Kamerateam in der Halle. Unsere Verwunderung wurde größer, als es hieß, es handle sich um ein Kamerateam des Zweiten Kanals des Teheraner Fernsehens, und die Modeschau würde tags darauf vom Teheraner Rundfunk gesendet.

Wie ist das möglich?, wagte ich, eine der hochgewachsenen Schwestern zu fragen. Sie schaute mich an, irritiert und womöglich verärgert: Im Fernsehen wird man nur Röcke sehen, die über den Laufsteg laufen. Daher - damit den Zusehern nicht langweilig wird - die ländlichen Motive auf den Röcken.

Ich versuchte, mir die ländlichen Röcke ohne die Mädchen vorzustellen, das schaffte ich nicht, den Versuch aufzugeben, schaffte ich auch nicht. Statt die Röcke ohne die Mädchen, sah ich die Mädchen am Ende vor meinem geistigen Auge ohne die Röcke, und mußte mich schämen.

Während des Versuches, die Röcke vor meinem geistigen Auge ohne die Mädchen zu sehen, spürte ich einen Schmerz in der Gegend des Magens, der größer wurde, man brachte mich in ein spärlich beleuchtetes Zimmer, und legte mich auf eine Couch. Ich übergab mich, sobald ich allein war. Die Couch, und meine Hose und mein T-Shirt, waren voll, ich mußte mich ausziehen. Gegenüber der Couch stand eine Rollgarderobe, auf deren Stange elegante, taillierte Offiziersmäntel hingen, mit goldenen Knöpfen, und Krägen aus kurz geschorenem Pelz. Daneben hatte man, auf einer Holzbank, ein Dutzend Pelzbaretts aufgestellt. Es waren unsere Mädchenuniformen.

wird fortgesetzt

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