Samstag, 22. März 2014

Warum uns Psychotherapie nicht weiterhilft – Plädoyer für Psychoanalyse (3)



Aber ich greife vor: Unsere Intervisionsgruppe wäre keine psychoanalytische, wenn es in der Diskussion über das Zeitproblem der Patientin (und unseres Analytikers) nicht bald um zwei psychoanalytische Grundbegriffe gehen würde: Widerstand und Übertragung.

Die Gruppe hat seit einigen Monaten ein neues Mitglied: Eine Soziologin - oder Politologin? Oder Philosophin? Diesbezüglich gehen die Meinungen der Alteingesessenen in der Runde auseinander. Keine/r traut sich, einfach nachzufragen. Die Neue scheint unnahbar, darin ist man sich einig.

Die Neue arbeitet nicht als Psychoanalytikerin, sie soll nicht einmal über psychoanalytische Selbsterfahrung verfügen. Dafür scheint sie alles über die Theorie der Psychoanalyse zu wissen. Ihre Theoriekenntnisse, nicht zuletzt ihre Kenntnisse der Texte Freuds, übertreffen, wie die Gruppe bald und mit gemischten Gefühlen feststellen muß, die der Praktizierenden in der Runde bei weitem. 

Nennen wir sie die Theoretikerin.

Immer wieder konfrontiert die Theoretikerin unsere Gruppe mit Fragen über Grundbegriffe der Psychoanalyse, deren Bedeutung einem Analytiker, wie man glauben möchte, geläufig sein müßte - und die alle mit der Formel Was ist ... (Verdrängung, Projektion, Sublimierung etc.) beginnen. Die Antworten der Alteingesessenen pflegt sie mit kleinen, mittlerweile gefürchteten, Suaden zu quittieren, die sie alle mit dem Wort „Mitnichten“ einleitet.

Die Diskussion über unsere Patientin und ihr „Zeitproblem“ dreht sich also bald um die psychoanalytischen Grundbegriffe Widerstand und – Übertragung. Und auch diesmal läßt die Theoretikerin mit der Frage Was ist - Übertragung? nicht auf sich warten.

Die Antworten kommen zögerlich und spärlich, aber sie kommen. Übertragung bezeichne jene Gefühlsreaktionen der Analysandin (des Analysanden) auf die Analytikerin (den Analytiker), die eine Neuauflage früherer, kindlicher Erfahrungen und Reaktionen darstellten. Dabei übertrage die Patientin (der Patient) Beziehungsmuster und Gefühlsreaktionen aus der Kindheit auf die Beziehung zur/zum Analytiker/in - und wiederhole sie somit. Ähnlich wie sie jene frühen Reaktionen und Muster auch auf andere zwischenmenschliche Situationen übertrage (in der Partnerschaft etwa oder am Arbeitsplatz), und sich so immer wieder – und mit je verschiedenen Darstellern - im gleichen (schlechten) Film wiederfinde.

Indem sie diesen schlechten Film nun aber auch in der Beziehung zum Analytiker wieder erlebe, würden jene stets wiederkehrenden und problematischen Beziehungsmuster in der Analyse bearbeitbar – die Analysandin (der Analysand) habe die Chance auf eine korrektive Erfahrung.

Nachdem die Runde also geantwortet hat – genau genommen hat nur einer geantwortet, ein Analytiker, den wir den Lösungsorientierten nennen wollen, und auf den wir noch zurückkommen werden - warten alle auf das unvermeidliche „Mitnichten“ – das aber ausbleibt. 

Stattdessen stellt die Theoretikerin eine weitere Frage: Und das Unbewußte?

wird fortgesetzt

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