Aber ich greife vor: Unsere Intervisionsgruppe wäre keine psychoanalytische, wenn es in der Diskussion über das Zeitproblem der Patientin (und unseres Analytikers) nicht bald um zwei psychoanalytische Grundbegriffe gehen würde: Widerstand und Übertragung.
Die Gruppe hat
seit einigen Monaten ein neues
Mitglied: Eine Soziologin - oder Politologin? Oder Philosophin? Diesbezüglich
gehen die Meinungen der Alteingesessenen in der Runde auseinander. Keine/r
traut sich, einfach nachzufragen. Die Neue scheint unnahbar, darin ist man sich
einig.
Die Neue arbeitet
nicht als Psychoanalytikerin, sie soll nicht einmal über psychoanalytische
Selbsterfahrung verfügen. Dafür scheint sie alles über die Theorie der
Psychoanalyse zu wissen. Ihre Theoriekenntnisse, nicht zuletzt ihre Kenntnisse der
Texte Freuds, übertreffen, wie die Gruppe bald und mit gemischten Gefühlen feststellen
muß, die der Praktizierenden in der Runde bei weitem.
Nennen wir sie die Theoretikerin.
Nennen wir sie die Theoretikerin.
Immer wieder konfrontiert
die Theoretikerin unsere Gruppe mit Fragen über Grundbegriffe der Psychoanalyse,
deren Bedeutung einem Analytiker, wie man glauben möchte, geläufig sein müßte -
und die alle mit der Formel Was ist ...
(Verdrängung, Projektion, Sublimierung etc.) beginnen. Die Antworten der
Alteingesessenen pflegt sie mit kleinen, mittlerweile gefürchteten, Suaden zu
quittieren, die sie alle mit dem Wort „Mitnichten“ einleitet.
Die Diskussion
über unsere Patientin und ihr „Zeitproblem“ dreht sich also bald um die psychoanalytischen
Grundbegriffe Widerstand und – Übertragung. Und auch diesmal läßt die Theoretikerin
mit der Frage Was ist - Übertragung? nicht auf sich warten.
Die Antworten
kommen zögerlich und spärlich, aber sie kommen. Übertragung bezeichne jene
Gefühlsreaktionen der Analysandin (des Analysanden) auf die Analytikerin (den
Analytiker), die eine Neuauflage früherer, kindlicher Erfahrungen und
Reaktionen darstellten. Dabei übertrage
die Patientin (der Patient) Beziehungsmuster und Gefühlsreaktionen aus der Kindheit
auf die Beziehung zur/zum Analytiker/in - und wiederhole sie somit. Ähnlich wie
sie jene frühen Reaktionen und Muster auch auf andere zwischenmenschliche
Situationen übertrage (in der Partnerschaft etwa oder am Arbeitsplatz), und
sich so immer wieder – und mit je verschiedenen Darstellern - im gleichen (schlechten)
Film wiederfinde.
Indem sie diesen
schlechten Film nun aber auch in der Beziehung zum Analytiker wieder erlebe, würden
jene stets wiederkehrenden und problematischen Beziehungsmuster in der Analyse bearbeitbar – die Analysandin (der Analysand)
habe die Chance auf eine korrektive Erfahrung.
Nachdem die
Runde also geantwortet hat – genau genommen hat nur einer geantwortet, ein
Analytiker, den wir den
Lösungsorientierten nennen wollen, und auf den wir noch zurückkommen werden
- warten alle auf das unvermeidliche „Mitnichten“ – das aber ausbleibt.
Stattdessen stellt die Theoretikerin eine weitere Frage: Und das Unbewußte?
Stattdessen stellt die Theoretikerin eine weitere Frage: Und das Unbewußte?
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