Samstag, 25. August 2018

Zizek in Teheran (169)


In Wahrheit sind wir in Teheran alle
UmstürzlerInnen ...
Es gibt aber
Abgesehen von der Narges und der Angst
Eingesperrt
Oder hingerichtet zu werden
Oder vergewaltigt
Einen anderen Grund
Warum ich Geheimagent der
Islamischen Republik Teheran bin.

Ich bin

Umstürzler

Ein
Mit der Sprache Teherans zu sprechen

Barandas.

Nicht, daß du glaubst
Das sei jetzt weltbewegend
LeserIn
In Teheran sind alle Barandas
Also UmstürzlerInnen.
Das weiß aber nur ich.

Alle anderen Teheraner glauben nämlich
Es gäbe in Teheran
Zum einen Umstürzler
Zum anderen aber auch Bewahrer
Also AnhängerInnen und GegnerInnen des Regimes.
Und unter den AnhängerInnen
Des Regimes
Wiederum zwei Fraktionen
Die
Prinzipalisten und die
Ad nauseam erwähnten
Reformfaschisten.

In Wahrheit sind wir hier in Teheran alle
UmstürzlerInnen
Die Frage
Ob er Umstürzler sei
Würde jeder Teheraner
Bejahen
Wenn er sicher wäre
Daß du, der du ihn fragst
Kein Bewahrer bist
Also Anhänger des Regimes.

Diese Ungewissheit
Nährt die falsche Annahme
Um nicht zu sagen den
Aberglauben
Es gäbe in Teheran real existierende AnhängerInnen des Regimes.

Für sich im Stillen würde sich
Niemand
Gott bewahre
Als Bewahrer
Bezeichnen
Also als Anhänger
Dieses Regimes.

Nur glaubt jeder
Nein
Muß jeder glauben:
Die Bewahrer sind immer die anderen
(Nicht alle anderen natürlich
Sondern einige dieser anderen)
Von sich weiß er ja
Daß er kein Bewahrer ist.

Weil aber niemand
In das Herz seiner
Nebenmenschen
Hineinschauen kann
Weder in Teheran
Noch draußen in der Welt
Verhält es sich mit den TeheranerInnen
Und ihrem Glauben
An die Real-Existenz der AnhängerInnen
Dieses Regimes
Wie mit den DorfbewohnerInnen
In der nun folgenden Geschichte
(Die ich wieder einem jener
Illustren
Deutschen Kinderbücher
Meiner Narges verdanke
Die ich
Um Deutsch zu lernen
Eifrig studiere):

Romeo und Julia auf dem Dorfe wollen heiraten. Weil sie aber arm sind wie die Kirchenmäuse in einer kantonalen evangelisch-reformierten Kirche, wenden sie sich an ihre Freunde: Jeder soll zur Hochzeit eine Flasche Wein mitbringen und am Haustor in ein großes Fass schütten. Als sie alle versammelt sind (jetzt hätte ich fast – Freud schau oba – versemmelt geschrieben) und auf das Wohl des Brautpaares anstoßen wollen, versteinern sich ihre Mienen. In den Gläsern ist bloß Wasser.

Es ist klar, was passiert ist
LeserIn?
Nicht?

Jeder hatte geglaubt
Er sei der einzige
Der Wasser (statt Wein)
In das Fass schütten würde
In Wahrheit hatten alle
Wasser (statt Wein) in das Fass
Geschüttet.

Weniger klar
Scheint jedoch bei genauer Betrachtung
Auch mir
Der Zusammenhang zwischen dieser Parabel
Oder Metapher
Oder was immer es sein mag
Und der weit verbreiteten
Falschen Annahme
Aller TeheranerInnen
(Außer mir)
Es gäbe
In Teheran
Neben UmstürzlerInnen
Auch noch einige
(Mehr oder weniger wenige)
AnhängerInnen
Der Islamischen Republik.

In der Dorfparabel von Romeo und Julia
Glaubt jeder
Er sei der einzige
Der Wasser statt Wein
In das Fass schüttet
Hingegen in Teheran niemand glaubt
Daß er der einzige Umstürzler sei
Wohl aber glaubt jeder Umstürzler
Es gäbe
Neben den vielen UmstürzlerInnen
Wie ihn
Zehn bis fünfzehn Prozent
AnhängerInnen des Regimes.

Und:
In der Wasser-statt-Wein-Geschichte auf dem Dorfe
Symbolisiert das Wasser
Wie soll ich sagen
Den Mangel
Um nicht zu sagen
Schlechthin das Schlechte
Hingegen das Umstürzlertum in der Islamischen Republik
Das Gute schlechthin ist.
Um nicht zu sagen die Rettung.

Es gibt übrigens
In dieser Geschichte
Ein anderes Problem
Es wird nämlich gar nicht gesagt
Welche Weinsorte
Die Gäste
Mitbringen sollen
Nicht auszudenken
Was passiert wäre
Wenn die Gäste
Oder ein Teil der Gäste
Je verschiedene Weinsorten in das Fass geschüttet hätten
Weil aber dieses Problem
Mit der Frage ihrer Eignung als Metapher
Oder Parabel
Oder wie immer das heißen mag
Für den falschen Glauben
An die Existenz von AnhängerInnen des Regimes
In Teheran
In keinem erkennbaren Zusammenhang steht
Wollen wir uns nicht länger damit aufhalten.

Das Problem ist nun
Daß außer mir
Niemand weiß
Daß das Regime
Einzig und allein wegen eben dieses Aberglaubens
Fortbesteht
Sollte eine genügend große Anzahl von TeheranerInnen
(Es müßte gar nicht die Mehrheit sein
Sagen wir zwanzig von achtzig
Millionen)
Die Falschheit der Annahme durchschauen
Daß es in Teheran real existierende AnhängerInnen dieses Regimes gibt
Würde dieses sofort baden gehen
Wie man
(Wie der Analytiker zu sagen pflegt)
In Graz
Zu sagen pflegt
Wie der Analytiker zu sagen pflegt?
Wie – wie der Analytiker zu sagen pflegt?
Bin ich dem Analytiker denn je begegnet?
Weiß ja nicht einmal
Ob er existiert
Das heißt existieren wird er
Ein Hirngespinst des Übersetzers wird er schon nicht sein
Obwohl ich manchmal ...
Aber ich kenne ihn doch den Analytiker
Ich meine
Nicht bloß aus den Erzählungen des Übersetzers
Und aufgrund jener geheimdienstlichen Nachforschungen
Sondern
Es ist
Als wäre ich ... Als würde ich ...
Ihn kennen

Oder aber ...

Was?
Oder aber ...
Er ist kein Hirngespinst des Übersetzers
Sondern ein Hirngespinst
Von mir.

wird fortgesetzt    

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