Donnerstag, 7. Oktober 2010

Wunderland 19.Teil


"Ein paar Tage nach dem Treffen im Naderi, war ich bei Sam zum Abendessen geladen. Daß ich bis zum Schluß nicht wußte, ob ich hingehen soll, brauche ich nicht zu erzählen, ich will Euch mit meinem Seelenzustand nicht langweilen, nur soviel: Ich ging wegen des Mädchens zu Sam, das ich aber im Grunde nicht sehen wollte.

Sams Villa, d.h. die Villa, die ihm dem Vernehmen nach sein Vater geschenkt hatte, lag im Norden von Elahiyeh, in Nord-Teheran, zu deutsch dem Viertel der Götter. Ich war mit dem Bus gekommen, das letzte Stück mußte ich zu Fuß - und bergauf - zurücklegen. Es war kalt, und wenn ich mich richtig erinnere, Anfang April, man hätte aber glauben können, es sei Herbst, resp. es war eine undefinierbare Jahreszeit. Es dämmerte, aber in meiner Erinnerung ist ein weißes Licht, das mit dem weißen Marmor der Außenfassade der Villa verschmilzt, so daß die Villa unsichtbar ist.


Ich kam zu einem Tor, das wie ein Gartentor in London aussah, aber es paßte nicht zu der Gartenmauer aus Beton. Eine Stimme aus der Gegensprechanlage sagte 'Herein!', aber so sehr ich rüttelte, das Tor blieb verschlossen. Ich kletterte schließlich über die Mauer, sie war nicht hoch, es war mehr ein Überspringen als ein Klettern, der Garten war länglich und schmal, und die hohen und dichten Bäume verbargen die Villen der Nachbarschaft, sofern es sie gab. Ich kam zu einer Türe aus Holz, und läutete wieder, diesmal passierte nichts. Ich wartete, und läutete, und wieder nichts, ich drückte die Türklinke, die übrigens aus Gold war, die Türe war offen - und ohne nachzudenken trat ich in einen Salon voller Stilmöbel. Über einen Wandspiegel brannte ein kleines Licht. Ich fragte: ‚Ist da wer?‘, und kam mir vor wie in einem dieser Filme von Hitchcock, auf einmal versank ich in ein Fauteuil, ich kann mich aber nicht erinnern, daß ich mich in das Fauteuil hineingesetzt hätte, ich saß, auf dem Sitzpolster, aber das Versinken ging weiter - und auch als eine Stimme ‚Tut mir leid‘, sagte, immer noch weiter, es war die Stimme des Mädchens. Ich war weder erstaunt, noch erfreut, noch hatte ich ein anderes Gefühl whatsoever, so wie der Führer der Klerikalen, als er von seinem Exil in Chicago nach Teheran zurückflog, 'Nichts‘ sagte, als man ihn fragte, was er denn fühle. Das Mädchen saß neben mir, auch sie in einem Fauteuil, wir sahen einander nicht an, als wären wir nebeneinander im Kino gesessen.
'Tut mir leid‘, sagte das Mädchen,
und ich: ‚Macht nichts‘. Gut möglich, daß auch aus mir schon, wie jene Stimme aus Sam, ein anderer sprach.
‚Ich war wütend -‘, sagte das Mädchen,.
- Und Sam?, wo ist Sam?
- Und dann ... es gab kein Zurück.
- Kein Zurück …
Und sie: ‚ Er ist da‘,
und ich: ‚Wer?‘,
und sie: ‚Sam. Er beobachtet uns‘.

wird fortgesetzt

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