Mittwoch, 24. November 2010

Warum wir über den Islam nicht reden können (2)

Denn sie wissen nicht was sie sagen







G.W.F. Hegel

Ich gehe nicht davon aus, daß die Verfasser des Aufrufs „Schluß mit der Integrationsdebatte“ den Unterschied zwischen Religion und „Rasse“ nicht kennen. Auch wird es nicht in ihrer Absicht gelegen sein, mit der Gleichsetzung von Islamfeindlichkeit und Rassismus ihrerseits eine rassistische Aussage zu treffen. Der Aufruf stellt, im Gegenteil, den ehrenwerten Versuch dar, der rassistischen Normalität unserer Tage in aller Schärfe entgegenzutreten. Was die Verfasser des Aufrufs meinen, steht aber im Widerspruch zu dem, was sie - über die Islamfeindlichkeit - sagen. Die Sprache aber, würde Hegel hier sagen (also das was wir sagen, im Unterschied zu dem, was wir meinen), ist das Wahrhaftere; in ihr widerlegen wir selbst unsere Meinung (2). Anders gesagt, handelt es sich hier um eine Art Freud’scher Fehlleistung, die für "liberale" Positionen in der Islamdebatte (oder besser Nicht-Debatte) allerdings typisch - und daher wert ist, näher untersucht zu werden.
Die Gleichung "Islamfeindlichkeit ist gleich Rassismus" geht offenbar vom Konzept des kulturellen Rassismus aus. Von der richtigen These also, daß heute, da der Begriff Rasse diskreditiert ist, fremdenfeindliche Ressentiments in Begriffen der „Kultur“ oder der Religion transportiert und politisch salonfähig gemacht werden („Leitkultur“, „christliches Abendland“, „Kampf der Kulturen“).

Statt aber gegen die unausgesprochenen Grundannahmen eines solchen Ersatz-Rassismus anzuschreiben, statt mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen,

- daß weder Religionen noch „Kulturen“ unauflöslich mit einer bestimmten Ethnie/Nation/„Rasse“ verbunden sind,

- daß Religionen und "Kulturen" keine starren Formationen bilden,

- daß Menschen ihre Religion auch ändern, daß Religionen, wie im Lauf der Geschichte immer wieder der Fall, schlicht aussterben können,

- vor allem aber, daß Individuen nicht auf ihre „Kultur“ oder ihre Religion reduzierbar sind,

stattdessen werden Religionen und „Kulturen“ – hier eben der Islam – in einer fatalen Kurzschlußreaktion quasi heiliggesprochen, und so jeglicher Kritik und jeglicher substantieller Debatte entzogen:
Kritik am Islam = Islamophobie = Rassismus.
Der „linke“ Kritiker des rechten Rassisten, der angetreten war, dessen als Islamfeindlichkeit getarnten Rassismus in Schranken zu weisen, überholt diesen also am Ende noch rechts – Hegel schau oba …!

Augenfällig wird diese versteckte Heiligsprechung des Islams etwa am Argwohn, der den organisierten Ex-Muslimen entgegenschlägt. In liberalen und "linken“ Medien des deutschen Sprachraums werden Ex-Muslime häufig als schrille HysterikerInnen dargestellt, deren persönliche Betroffenheit ihnen ein angemessenes Reden über den Islam verunmöglicht.
Während man also im Iran über den Islam redet, indem man nicht über ihn redet (sondern über "die Araber"), man in Europa (nur scheinbar) über den Islam redet, und die Araber (und Türken) meint, oder aber jedes substantielle Reden über den Islam verunmöglicht, indem man ihn sakrosankt stellt, werden Iraner (oder Türken oder Araber), die sich in Europa kritisch über den Islam äußern, oder sich gar von ihm abwenden, als Menschen wahrgenommen, die nicht (angemessen) über den Islam reden können – und es daher am besten unterlassen sollten.

Im Iran selbst, wie in einigen anderen islamischen Ländern, steht auf die Abkehr vom Islam im übrigen die Todesstrafe.

wird fortgesetzt

(2) G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. Stuttgart, 1988, S. 82


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