Teheran Museum of Contemporary Art |
Soweit
der Bericht des Gefängnisarztes. Ich sitze wieder auf dem Analysesessel. Würgen
macht müde. Auf dem Analysesessel aus Graz. Plüschiger Halbkreis, umrundet mir, Armchair Thinking, den Rücken. Abgesessen
liebe ich und bequem. Sitzen und baumeln, mit der Seele, sagen sie - also nix Thinking –, wenn sie auf der Wiese
liegen, in Graz.
Die
Psychoanalyse ist besser als der Kapitalismus, sagte mein Lehranalytiker, oder zitierte
er Jaques-Allain Miller? Im
Kapitalismus muß der Kapitalist die Arbeiter zahlen, hingegen kriegt der
Analytiker dafür bezahlt, daß die Analysandin arbeitet.
Ist das
jetzt zynisch oder kritisch? An die Antwort erinnere ich mich nicht. Sie hatte,
i.e. die Antwort, mit Antisthenes zu tun, Sokratesschüler, der die Schule
der Kyniker gründete und der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Siehe
Wikipedia, LeserIn, oder lies Bücher.
Weiß immer
noch nicht, was es mit der Schrift
auf sich hat. Also doch: Arbeiten!. Dabei
habe ich gerade. Gebrüllt und - schon vergessen? – gewürgt.
Auch jetzt,
da ich wieder im Sessel sitze, fährt der Gefängnisarzt fort, zu berichten. Daß
er schließlich die Stelle im Habitat angenommen hätte. Daß sein Verfahren wegen
Glaubensbeleidgung auf Namwars Intervention hin eingestellt wurde. Noch immer
habe er - der Gefängnisarzt, nicht Namwar - nach dreißig Jahren den Job im Gefängnis,
als Bewährungshelfer. Ohne akademischen Abschluß.
The Guardian vom 27. Januar 2012
Titel:
Foltern mit moderner Kunst
Untertitel:Eine Teheraner Kunsthistorikerin hat die
wahrscheinlich erste bewußte Anwendung moderner Kunst als Foltermethode
aufgedeckt.
Kandinsky,
Klee, Itten, Bunuel und Dali
lieferten die Inspration für eine Reihe von Gefängniszellen, die im Teheran der
Jahre 1979 bis 1981 gebaut wurden. Sie waren das Werk des Architekten und
Hobbymalers Ashkan Namwar, dem
Erfinder der „psychotechnischen“ Folter. Angeregt durch Ideen der Surrealisten,
der geometrischen Abstraktion sowie durch avantgardistische Theorien über
psychologische Auswirkungen von Farben, baute Namwar zusammen mit Mitarbeitern
des 1979 geschlossenen Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst seine
berüchtigten sogenannten „farbigen Zellen“ im berüchtigten sogenannten „tiefen Gefängnis“,
einem Teil des Habitat-Gefängnisses in Teheran.
In
den 1,80 x 0,90 Meter großen Zellen, in denen man nach dem Sieg der
Revolution Säkulare, Liberale und Linke zu foltern begann, wurden Betten in
einem Winkel von 20 Grad aufgestellt, so daß es fast unmöglich war, in ihnen zu
schlafen. Ziegelsteine und andere „geometrische Blockaden“ schränkten die Bewegungfreiheit
der Häftlinge ein. Diese waren gezwungen, stundenlang die Zellwände
anzustarren, die Namwar mit schwindelerregenden, quadratischen, würfelförmigen
und Spiralmustern bemalt hatte. Lichteffekte vermittelten den Eindruck, daß sich die
Muster an den schrägen Wänden bewegen würden.
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