Afrikanischer Totem |
Pfaller faßt
Sublimierung nicht als Nutzbarmachung sexueller Triebenergien für „höhere,
kulturelle Ziele“ auf, sondern als die Umwandlung eines bestimmten (Trieb)objekts
qua Kultur in etwas Sublimes – und somit „genießbares“.
Den Prototyp
dieser lust-gestattenden - bzw. -gebietenden - Funktion der Kultur finden wir
wiederum bei Freud, der in Totem und Tabu die Totemmahlzeit als einen „gebotene[n] Exzeß“1 bezeichnet: Das Totemtier, dessen
Töten und Verzehr unter normalen Bedingungen strengstens untersagt ist, wird, so Freud, „bei feierlichem Anlasse auf grausame Art“ getötet und roh verzehrt. „Nach
der Tat wird das hingemordete Tier beweint und beklagt [...] Aber nach dieser
Trauer folgt die lauteste Festfreude, die Entfesselung aller Triebe und die
Gestattung aller Befriedigungen.“2
Und dann:
„Ein Fest ist ein gestatteter, vielmehr
gebotener Exzeß, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes. Nicht weil die
Menschen infolge irgendeiner Vorschrift froh gestimmt sind, begehen sie die
Ausschreitungen, sondern der Exzeß liegt im Wesen des Festes; die festliche
Stimmung wird durch die Freigebung des bisher Verbotenen erzeugt. (Hervorhebung von mir)“3
Für Freud repräsentiert
das Totemtier den Urvater, einst absoluter Herrscher über die Urhorde, und –
nach der Vertreibung seiner Söhne – alleiniger Besitzer aller Frauen. „Eines Tages taten sich die ausgetriebenen
Söhne zusammen, erschlugen und verzehrten den Vater“4, um nun
ihrerseits in die Position des Urvaters – und in den Besitz seiner Frauen zu
gelangen.
Dieses ihr
„Triebziel“ mußte die Revolution der Söhne aber natürlich verfehlen – oder sie erreichte
es nur partiell. Nicht bloß, weil nur einer der Söhne die Position des Vaters
hätte einnehmen können. Nach dem Mord (am nicht nur verhaßten, sondern auch
beneideten und bewunderten Vater) wurde die Schar der Brüder von Schuldgefühlen
und von Reue überwältigt. „Der Tote wurde
nun stärker als der Lebende gewesen war“5. Er wurde zu Gott – der,
so betrachtet, immer schon tot gewesen ist, erst als Toter zu „funktionieren“
beginnt. „Wenn Gott tot ist“, sagt Lacan, „ist alles verboten“.
Der Mord am
Urvater ist für Freud jedenfalls eine
„Tat, mit welcher so vieles seinen Anfang
nahm, die sozialen Organisationen, die sittlichen Einschränkungen und die
Religion“6
– anders gesagt: Die Kultur.
In der
Kultur ist aber nicht bloß das Verbot enthalten, sondern auch jenes Aufbegehren,
das zur Revolution gegen den Urvater führte.
In der Totemmahlzeit (im Fest, im
Ritual) kommt beides zum Ausdruck: Gedenken und
Wiederholung. Das reuevolle Gedenken an den Ermordeten ermöglicht die
anschließende - triebbefreiende - Wiederholung
des Mordes.
wird fortgesetzt
(1) Sigmund
Freud, Totem und Tabu. In ders.,
Gesammelte Werke, Bd IX, Frankfurt am Main 1999, S. 170
(2) Ebd. S.
169
(3) Ebd. S.
170
(4) Ebd. S.
171
(5) Ebd. S.
173
(6) Ebd. S.
172
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