In der
Kultur ist aber nicht bloß das Verbot enthalten, sondern auch jenes
Aufbegehren, das einst zur Revolution gegen den Urvater führte. In der
Totemmahlzeit - im Ritual/ in der Kultur - kommt beides zum Ausdruck: Gedenken und Wiederholung: Das reumütige Gedenken
an den Ermordeten ermöglicht die daran anschließende, symbolische und triebbefreiende Wiederholung des Mordes. Eine
Reinszenierung, die den triebfeindlichen Aspekten der Kultur, eben jener Reue
und Schuld, entgegenwirken soll, damit sie uns nicht (ganz) überwältigen.
Hier haben
wir es mit jener Nahtstelle zwischen Subjekt und Gesellschaft zu tun, die
Adorno im Blick hatte, als er davon sprach, daß Freud, der
„die
Soziologie [...] als angewandte Psychologie verstanden wissen wollte, [...]
paradoxerweise in den innersten psychologischen Zellen auf Gesellschaftliches
wie das Inzestverbot [und] die Verinnerlichung [...] primitiver Hordenformen
gestoßen ist.“1
Sollte es sich
bei archaischen Formationen, wie der in den „innersten psychologischen Zellen“
– also im Unbewußten - verinnerlichten Urhorde, um Gesellschaftliches handeln, dann hätten wir es mit einem in der
Gesellschaft gegenwärtigen Archaischen zu tun. Genauer: mit der immer
wiederkehrenden, unbewußten Reproduktion des Archaischen in der Gesellschaft. Die
vielen Varianten der triebbefreienden Funktion der Kultur (in Ritual, Spiel,
Kunst, Religion, Gesetz ...), folgten dann - als symbolisch verdichtete Wiederholung
jenes Ur-Mordes - einem historisch-gesellschaftlichen Wiederholungszwang.
Die symbolische
- triebbefreiende - Wiederholung jener Ur-Revolution in der Kultur steht aber (und
das mag auch für Revolutionen im üblichen Sinn gelten) noch in einem anderen Entstehungszusammenhang,
und hat noch eine andere Funktion als die, den triebunterdrückenden Kräften der
Kultur entgegenzuwirken: Die Revolution gegen den Urvater mußte scheitern, zum
einen, weil nicht alle Brüder zum „neuen Urvater“ werden konnten. Und weil es einige,
andererseits, sehr wohl werden konnten. Schließlich muß der Urvater selbst irgendwann
einmal Sohn gewesen sein.
Demnach
kommt als weitere Entstehungsquelle triebbefreiender (resp. -gebietender)
Institutionen in der Kultur zum einen die – im oben genannten Sinn „archaische“
- Sehnsucht nach dem vollen, nur dem Urvater zustehenden Genuß in Betracht. Zum
anderen der Neid der Beherrschten auf den - vermeintlichen – vollen Genuß der
Herrschenden, der „neuen Urväter“.
wird fortgesetzt
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