In
seinem Bestseller Zorn und Zeit
beklagt der Philosoph Peter Sloterdijk
den Schwund „thymotischer Tugenden“ in der Gegenwart. Thymós bezeichnete im antiken Griechenland das körperliche Substrat
der Seele, welchem Plato die - von Sloterdijk so genannten - „thymotischen
Eigenschaften“ zuordnete: Empörung, Zorn, Stolz, Tapferkeit, Ehrgefühl, Affekte
und Tugenden (bzw. „Tugenden“), denen wir allesamt das
Bedürfnis nach Anerkennung zugrunde legen können.
Der
Schwund thymotischer Tugenden gehe, so Sloterdijk, mit
der Dominanz der - von ihm so genannten - „Erotik“ einher, die er in
Anlehnung an die philosophische Psychologie der alten Griechen als Wegweiser zu
jenen „‚Objekten’“ definiert, „die uns fehlen und durch deren Besitz oder Nähe
wir uns ergänzt fühlen“1). Hätte das Christentum zwei Jahrtausende
lang „das gesamte thymotische Feld durch den Vorwurf der superbia [also der Hochmut, Anm. von mir]“ abzuriegeln, und „Ehre,
Ambition, Stolz [...] hinter einer dichten Wand von moralischen Vorschriften“2) zu verbergen versucht - so erreiche der „aktuelle Konsumismus [...] dieselbe Ausschaltung des Stolzes zugunsten der
Erotik ohne altruistische [...] und sonstige vornehme Ausreden, indem er den Menschen ihr Interesse an Würde
durch materielle Vergünstigungen abkauft“. [Hervorhebungen von mir]3)
„Konsumismus“
siedelt Sloterdijk also am „erotischen Pol“ an, in enger Nachbarschaft zu „Materialismus“,
„Hedonismus“ – und zur Gier.
Unsere
Selbstbeurteilung als materialistisch und hedonistisch und unsere Verurteilung unseres – angeblichen – Materialismus und Hedonismus finden wir demnach vom Philosophen Peter Sloterdijk vollauf bestätigt.4)
wird fortgesetzt
1)
Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit,
Frankfurt 2006, S. 30
2)
Ebd. S. 31
3)
Ebd. S. 31 ff
4)
Slavoj Zizek scheint Sloterdijks Be-
und Verurteilung der Gegenwartskultur als „hedonistisch“ gleichfalls zuzustimmen,
obwohl die Dinge hier komplizierter liegen, da sein Begriff von „Hedonismus“ letztlich
auf das Gegenteil von dessen alltagssprachlichen Bedeutung hinausgeht. Siehe zum Beispiel das folgende
Spiegel-Interview, in dem er den Hedonismus als Ursache des „Workaholimus“ bezeichnet:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-132327446.html
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