Freitag, 24. Juli 2020

Zizek in Teheran 205

هفت روز از پاسداران تا چرم‌شهر ورامین به دنبال زن گمشده در جوی‌آب ...
Djub
Ich begleitete die Weinende
Also nach Hause
Sie bedankte sich
Weinend
Und tags darauf
Nachdem wir wieder Basketball gespielt
Die Deutschen und ich, respektive die Halbdeutschen
Und die Narges uns wieder zugschaut hatte
Kam sie
Und sagte (wieder)
Ich schulde dir Dank
Oder so

Da fiel mir ein
Daß es für meine Anwesenheit vis à vis des Eingangs
Der Deutschen Schule
Ja keinen Vorwand gab
Was mich beunruhigte
Obwohl ich wissen mußte
Daß das keine Rolle mehr spielte
(Respektive es war
Wie die Grazer gesagt haben würden
Ganz Blunzn
In diesem Moment hätte ihr in der Tat
Nichts mehr
Wie die Grazer gesagt haben würden
Blunzn sein können
Als die Frage, warum ich
Mich am Vortag
Vor dem Eingang der Deutschen Schule postiert und die, in weiterer Folge, aus demselben Heraustretende und Weinende nach Hause gebracht hatte)

Ich war also beunruhigt, was Narges bemerkte
Und fragte
Was hast du?
Nichts
Sagte ich
Und
Warum hast du gestern geweint? 

Woraufhin sie mich fragte
Wo wir
Bevor wir in jene vorwiegend von Deutschen bewohnte neighborhood
Respektive Halbdeutschen
Die übrigens
Felfelestanak
Zu Deutsch
Kleines Pfefferland, respektive Pfefferländle
Genannt wurde, gezogen waren, gewohnt hatten

Später
Werde ich
Viel später
In einem der illustren deutschen Bücher der Narges das Folgende lesen:

Pfefferland ist ein umgangssprachlicher Begriff aus dem 16. Jahrhundert, den man verwendet, um jemanden in weite Ferne zu wünschen. Die älteste Überlieferung geht auf den elsässischen Franziskaner, Humanisten und Juristen Thomas Murner zurück: Ach warents an derselben statt, do der pfeffer gewachsen hat, heißt es in seiner, an Sebastian Brants Narrenschiff anknüpfenden Narrenbeschwerung (i.e. Narrenbeschwörung). Etwa zur gleichen Zeit erscheint in den Epistolae obscurum virorum, zu Deutsch Dunkelmännerbriefe der Satz: utinam omnes poetae essent ubi piper crescit, zu Deutsch

Wären doch nur alle Dichter, dort, wo der Pfeffer wächst.

Sie fragte mich also
Wo wir
Bevor wir
In jene Kleines Pfefferland, respektive Pfefferländle genannte neighborhood gezogen waren
Gewohnt hatten
Und lachte
Als ich es ihr sagte
Herzhaft
Und sagte
Das ist ja ganz in der Nähe der Sowiesostraße
Wo wir
Bevor wir
Hergezogen sind
Gewohnt haben
Und dann
Okay, ich sage es

Womit sie jene Sache mit dem Baby meinte, derenthalben sie geweint hatte

Wir marschierten die 
Straße der Philantropie 
Respektive unsre
Hinauf und hinunter
Die längste, wenn ich mich richtig erinnere, in der neighborhood
Und stehen beim Djub
Djubs
Sind Wasserläufe
Ich sagte es schon
In den Straßen von Teheran
Die das Wasser aus den Bergen im Norden
In den Süden
Hinunterführen
Wir stehen also beim Djub und lehnen
An eine (hohe) Platane 

Bei uns
Sagt die Narges (und meint bei uns in der Deutschen Schule)
Sind die Klassenzimmer keine Klassenzimmer
Sondern Portacamps

Portacamps?

Portacamps sind Container 

Glaube aber nicht
Daß sie wirklich Container gesagt hat
Das Wort kannte sie damals
Wohl genauso wenig wie ich
Trotzdem sie mir
Damals
Schon gscheiter vorkam
Wie die Grazer gesagt haben würden
Als ich
Ich habe nie verstanden
Wie Männer es zustande zu bringen vermögen, Frauen zu begehren, respektive zu lieben
Die dumm sind
Respektive von ihnen für dumm gehalten werden

Ramin von der Pirus-Bahram
Der Schöne genannt
Sagte einmal über sein girlfriend

Sie ist zwar schiach, aber dumm

Was ich jahrelang nicht zu kapieren vermochte
Bis ich kapierte, was er gemeint hatte
Sie ist zwar schiach, das ist freilich ein Nachteil, aber wenigstens dumm. Das immerhin
Ist ein Vorteil. 

Portacamps
Sagt also die Narges
Sind wie Container, aber schlank und chick, weiß
Und dunkelgrün
Zwischen den Portacamps in der oberen Schule und der
Das Gelände der Schule umgebenden Mauer
Ist eine lange
Und hohe Hecke
Gestern war ich nach der letzten Stunde
Hinter der Hecke
Sie stockt
Mit einer Freundin, d.h. im Zwischenraum zwischen Mauer und Hecke
Weil wir ... wir hatten gehört, daß die Jungs dort
Eine Geisterbahn
Gebaut hätten.

Geisterbahn
Heißt in der Sprache Teherans
Tunele Wahschat
Wörtlich Tunnel des Schreckens
Narges sagte aber
Haus des Schreckens
Wenn ich mich richtig erinnere 
Also
Khaneye Wahschat 

Diese Geisterbahn hinter der Hecke wollten wir erkunden
Aber Clara, meine Freundin, war plötzlich weg
Macht nix
Dachte ich
Ich bin ja tapfer
Sagt Mutter immer
Und ging weiter
Und fragte mich
Wo bleibt die Geisterbahn?
Auf einmal berührte
Etwas Kaltes
Meine Schulter 

Es war Herbst, sagte ich, aber warm
Wahrscheinlich
(Hab sie unmittelbar danach zwar gesehen, erinnere mich aber nicht mehr genau)
Wahrscheinlich hatte sie ein schulterfreies Shirt an

Ich schrie
Sagt sie
Und preßt
Fest
Die Lippen zusammen, als wollte sie weinen
Und packt sich
Und das Weinen gleichzeitig abwehren
Am Handgelenk 

Ich schrie
Und dann kam das Baby 

Baby?
Sage ich
Und habe sogleich das Gefühl, als hätte ich das Falsche
Nämlich zu ihr
Baby gesagt

Baby wie es in den von den Teheraner Radiostationen ausgestrahlten
Amerikanischen Songs
Baby hieß
Etwa in
Baby Love (der erfolgreichste Song der Supremes)
You Baby (by The Turtles)
Oder The BeatlesTake Good Care Of My Baby

Ich weiß, LeserIn
Schon 1963, als die Beatles von einem Journalisten darauf angesprochen wurden, daß Amerikaner sie aufgrund ihrer Haarschnitte für unamerikanisch halten würden, überraschte Lennon, einer seltsamen Eingebung folgend, mit der Aussage: Wir sind keine Amerikaner!

(Q: „They think your haircuts are un-American.“
John: „Well, it was very observant of them because we aren’t American, actually.“
Paul (laughs): „True, that.“
John: „True. True“)

Jetzt sitzen die Narges und ich
Direkt am Djub
Oder soll ich sagen
Am Ufer
Djubs haben aber kein Ufer
Und werden von Rand- oder Rinnsteinen begrenzt, respektive von Platten
Aus Beton oder Stein
Wir saßen also direkt am Djub
Daß wir die Füße im Wasser tunkten
Und trunken tunkt ihr das Haupt usw.1
Halte ich allerdings nicht für wahrscheinlich

(Zumal weder unsere Füße nackt waren
Noch war das Wasser ein Wasser
In meiner Erinnerung ist der Djub ganz trocken oder, wenn es hochkommt, ein Rinnsal)

Aber wir lehnten an jene (hohe)
Platane
Und Narges lehnt, obwohl ich dünn bin, den Kopf
An meine Schulter
Wie gestern
Ich lege meine Arme um ihre Schultern
Wie gestern
Und sage
Baby
Oder singe
Wie in jenen Teheraner Radioliedern
Den amerikanischen

Ihre Schultern sind heiß
Oder meine Hand
Und ich denke an das Kalte
Das gestern
Auf einmal
Hinter der Hecke
Ihre Schulter berührte

In der Hecke war
Dieses Baby
In einem Spiegel
Oder war es ein Bildschirm?
Ich weiß nicht
Sie schluchzt
Es war schrecklich 

wird fortgesetzt 

1 Anspielung auf Hölderlins Gedicht Hälfte des Lebens: „Und trunken von Küssen/Tunkt ihr das Haupt/Ins heilignüchtrene Wasser/ Weh mir usw. ...“

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