Samstag, 27. Februar 2021

Von der Bösartigkeit des Banalen (3) - oder warum ich über den Islam nicht mehr rede

Hans Christian Andersen
Obwohl ich also (oder gerade weil ich?) bei jener Podiumsdiskussion meine Position wortreich verteidigt hatte, befiel mich danach ein Unbehagen – ähnlich jenem, das mich nach der Facebook-Kontroverse mit meinem Teheraner Landsmann befallen hatte. Ich war wieder in die Falle der Bösartigkeit – der aus dem Geiste der Absurdität geborenen Bösartigkeit – des Banalen gegangen. Oder hatte mir, genauer betrachtet, die  Falle selbst gestellt. War es in der Facebook-Kontroverse mein Landsmann gewesen, der die Schilderung eines fiktiv-surrealen Umerziehungslagers absurderweise einem Tatsachenbericht über die reale Situation im Iran gleichgesetzt hatte, hatte bei jener Podiumsdiskussion ich selbst die Absurdität heraufbeschworen, indem ich erklärte, dass bestimmte Aktionen, Positionen und Forderungen von Vertretern der Identitätspolitik, den Schluss nahelegen, diese würden politisches Handeln auf die Reglementierung von Sprache reduzieren. Um dieser Absurdität, die allerdings niemand – es sei denn sie oder er wäre verrückt – explizit vertreten würde, die weltbewegende Erkenntnis entgegenzusetzen, dass Worte nicht unmittelbar, gleichsam auf magische Weise, Realität produzieren. Wohingegen jene Soziologin, die die Existenz jenes – auf den ersten Blick ohnehin nicht erkennbaren – Absurden leugnete, sich die Peinlichkeit eines banalen Gegenarguments gegen jenes (aus ihrer Sicht) nicht existente Absurde ersparte.

 

*

 

In Hans Christian Andersens berühmtem Kunstmärchen Des Kaisers neue Kleider wird die Geschichte eines Kaisers erzählt, der „so ungeheuer viel auf neue Kleider hielt, daß er all sein Geld dafür ausgab, um recht geputzt zu sein [...] In der großen Stadt, in welcher er wohnte, ging es sehr munter zu; an jedem Tage kamen viele Fremde an. Eines Tages kamen auch zwei Betrüger; sie gaben sich für Weber aus und sagten, daß sie das schönste Zeug, das man sich denken könne, zu weben verständen. Die Farben und das Muster wären nicht allein ungewöhnlich schön, sondern die Kleider, die von dem Zeuge genäht würden, besäßen die wunderbare Eigenschaft, daß sie für jeden Menschen unsichtbar wären, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.“13

 

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht und dass niemand, kein Erwachsener jedenfalls, indem er ausruft: „Der Kaiser ist nackt!“, den Eindruck erwecken möchte, dass er „für sein Amt nicht tauge“ oder gar „unverzeihlich dumm“ sei. Ich will es auch nicht. Weshalb ich beschlossen habe, nicht mehr über den Islam zu reden.

 

Warum ich über den Islam nicht mehr rede

 

Der Titel einer meiner Essays lautet: Warum wir über den Islam nicht reden können14 und ich war gelegentlich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass diese Frage in jenem Essay nicht oder nicht befriedigend beantwortet wird. Inzwischen ist mir aber immerhin gelungen, auf die Frage, warum ich über den Islam nicht (mehr) rede, eine befriedigende Antwort zu finden.

 

Unlängst war ich – als Vortragender respektive als Podiumsdiskutant – zu zwei Veranstaltungen eingeladen, die eine kritische Analyse der aktuellen Islamdebatten zum Ziel hatten. In den Veranstaltungstiteln war aber nicht vom Islam die Rede, sondern vom Islamismus respektive vom politischen Islam, so dass ich – wie immer, wenn vom politischen Islam oder vom Islamismus die Rede ist und nicht einfach vom Islam – versucht war, Einspruch zu erheben. Dieser Impuls mischt sich aber jedesmal mit dem Gegenimpuls, mich für diesen Einspruch zu rechtfertigen. Als wäre es unsinnig (und nicht selbstverständlich), zu fordern, dass wir, wenn wir etwa über das Verhältnis der Linken zum sogenannten Islamismus nachdenken und reden wollen, zunächst einmal über das Verhältnis der Linken zum Islam nachdenken und reden sollten. Als wäre es, anders gesagt, nicht selbstverständlich, wenn es um den Islam geht, vom Islam zu reden – und nicht vom Islamismus oder dem sogenannten politischen Islam.

 

Und genau an dieser Stelle, an welcher der dominierende – vor allem, aber nicht bloß linksliberale – Islamdiskurs sich weigert, wenn es um den Islam geht, vom Islam zu reden, etwa indem er sagt: Die Situation der Frauen im Islam hat nichts mit dem Islam zu tun, sondern mit dem Patriarchat, und der Kritiker dieses absurden Diskurses entgegnet: Ich denke aber schon, dass die Situation der Frauen im Islam mit dem Islam zu tun hat. Oder noch einmal anders, dass der Islam etwas mit dem Islam zu tun hat – genau an dieser Stelle schnappt die Falle der Bösartigkeit des Banalen wieder zu. Zumal das Absurde dieser und ähnlicher Aussagen häufig nicht als Absurdes wahrgenommen wird – vielen Zeitgenossen scheint es ja als besonders differenziert und sophistcated zu gelten, im erwähnten Zusammenhang vom Patriarchat zu reden und nicht einfach vom Islam – während das Offensichtliche banal erscheint, wenn nicht gar „unverzeihlich dumm“ und der sich eines solch dummen Arguments Bedienende als jemand, der „für sein Amt“ – etwa als Essayist und Schriftsteller – „nicht taugt“.

 

Sollte der Schriftsteller aber fortfahren – über die Jahre und bis ans Ende seines Lebens fortfahren – solche und ähnliche Debatten zu führen, und der Absurdität solcherart entgegenzutreten, kann es sich begeben, dass bei seinem Begräbnis jemand eine Grabrede hält, in der es heißt: Er hat sein Leben damit verbracht, zu verkünden, dass der Islam etwas mit dem Islam zu tun hat. Na Bravo.

 

wird (vielleicht) fortgesetzt

 

13

 

http://www.zeno.org/Literatur/M/Andersen,+Hans+Christian/M%C3%A4rchensammlung/M%C3%A4rchen/Des+Kaisers+neue+Kleider

 

14 Sama Maani, Warum wir über den Islam nicht reden können. In ders., Respektverweigerung. Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten. Und die eigene auch nicht, Klagenfurt 2015, S.7

Mittwoch, 24. Februar 2021

Von der Bösartigkeit des Banalen (2)

Georg Christoph Lichtenberg

Bei einer vom Sigmund-Freud-Museum veranstalteten Podiumsdiskussion kritisierte ich jene Vertreter der Identitätspolitik, die den Eindruck erwecken, sie würden die komplexe Wechselbeziehung zwischen Sprache und Gesellschaft ausblenden und politisches Handeln auf die Reglementierung von Sprache reduzieren. Als gäbe es keine außersprachliche Realität, keinen stummen Zwang der ökonomischen und politischen Verhältnisse. Als würde Sprache unvermittelt Realität produzieren. Und als würden die Herrschenden herrschen, nicht indem sie herrschen, sondern indem sie sprechen. Eine Podiumsteilnehmerin, eine Soziologin, widersprach mir spontan. „Das sagt doch niemand!“ meinte sie. Und hatte natürlich recht. Explizit behauptet selbstverständlich niemand, dass Sprache, gleichsam auf magische Weise, Realität produziere, es sei denn sie oder er wäre – buchstäblich – verrückt.8 

 

Ich verwies darauf, dass die Haltung, die ich im Blick hatte, niemals explizit vertreten würde, sich aber deutlich in zahlreichen identitätspolitischen Forderungen, Positionen und Aktionen nachweisen ließe – und beeilte mich, für dieses Ausblenden der Differenz zwischen dem Symbolischen und dem Realen konkrete Beispiele zu nennen.

 

Etwa die Proteste gegen die Installation Scaffold des US-amerikanischen Künstlers Sam Durant.9 Diesem wurde unter dem Schlachtruf „Exekution ist keine Kunst!“ vorgeworfen, seine – als kritische Auseinandersetzung mit der Praxis der Exekution in der Geschichte der USA konzipierte – Installation würde die Massenhinrichtung von Angehörigen der Dakota nach der Niederschlagung des Sioux-Aufstands 1862 reproduzieren. Ich gehe davon aus, dass die Träger jener Proteste keineswegs so verrückt waren, anzunehmen, Durants Installation hätte buchstäblich die Wiederholung jener Massenexekution bewirkt (was vorausgesetzt hätte, die Hingerichteten zum Leben zu erwecken und sie anschließend noch einmal hinzurichten). Allerdings wurde bei den Scaffold-Protesten genauso wie bei jenen gegen das Gemälde Open Cascet von Dana Schutz10 und anderen identitätspolitisch motivieren Protesten gegen Werke der Kunst deren Vernichtung gefordert (oder zumindest ihre Entfernung aus dem öffentlichen Raum), eine Forderung, der Durant, indem er seine Installation tatsächlich zerstörte, dann auch folgte.

 

Sofern sie nicht klinisch verrückt sind, können wir also den Trägern jener identitätspolitisch motivierten Proteste zwar die Fähigkeit zuschreiben, zwischen der empirischen Ebene der Realität und der symbolischen der Kunst unterscheiden zu können. Die regelmäßig erhobenen Forderung nach der Zerstörung der inkriminierten Kunstwerke verweisen jedoch auf ein magisches Denken, in dem die Differenz zwischen dem Realen und dem Symbolischen aufgehoben scheint. Als würde von jenen Werken eine reale Gefahr ausgehen, zu bannen einzig durch deren Zerstörung respektive Entfernung aus dem öffentlichen Raum.

 

Auf magisches Denken, dem Verleugnen der Differenz zwischen dem Symbolischen und dem Realen, haben Vertreter der Identitätspolitik allerdings kein Monopol. Neulich begegnete mir ein „privilegienkritisches“ Tweet, das von einem Facebook-Freund zitiert wurde und zahlreiche zum Teil heftige Reaktionen nach sich zog:

 

„Leute, die sich gewählt ausdrücken können, sind privilegiert und verfügen über eine Macht, in der sie anderen [...] das Gefühl geben können, sie seien moralisch oder intellektuell unterlegen. Das ist [...] gewaltvoll.“

 

Fragte man den Verfasser dieses Tweets, ob er annehme, dass „gewähltes Reden“ buchstäblich „gewaltvoll“ sei, dass gewählte Ausdrücke etwa wie Messerstiche Stichwunden verursachten, würde er dies natürlich verneinen. Es ist aber vorstellbar, dass Aussagen, die von solchen Prämissen ausgehen, bei jemandem, der sich, zu Recht oder zu Unrecht, „moralisch und intellektuell unterlegen“ fühlt, zu einem Kurzschluss zwischen dem Symbolischen und dem Realen führen können. Dass er etwa zum Messer greift, um einem, der sich gewählter Ausdrücke bedient, die „Gewalt“, die er ihm dadurch antut, in gleicher Münze heimzuzahlen.

 

Freilich ist ebenso vorstellbar, dass ein solch absurder „Diskurs“, dem es längst nicht mehr um „Bildung für alle“, sondern um „Dummheit für alle“ zu tun ist, den Impuls, die Ebenen des Symbolischen und des Realen kurzzuschließen und das argumentum ad baculum11 in Anschlag zu bringen, auch bei dessen Kritikern auszulösen vermag. Ein Impuls vor dem – in ihrer Kritik am absurden physiognomischen Diskurs ihrer Zeit – auch Hegel und Lichtenberg nicht gefeit waren.

 

„Lichtenberg, der das physiognomische Beobachten so charakterisiert, sagt [...]: ‚Wenn jemand sagte, du handelst zwar wie ein ehrlicher Mann, ich sehe es aber aus deiner Figur, du zwingst dich und bist ein Schelm im Herzen; fürwahr eine solche Anrede wird bis ans Ende der Welt von jedem braven Kerl mit einer Ohrfeige erwidert werden.’ – diese Erwiderung ist deswegen treffend, weil sie die Widerlegung der ersten Voraussetzung einer solchen Wissenschaft des Meinens ist, daß nämlich die Wirklichkeit des Menschen sein Gesicht sei [Hervorhebungen im Original].“12

 

schreibt Hegel im Kapitel Gewißheit und Wahrheit der Vernunft seiner Phänomenologie des Geistes.

 

wird fortgesetzt

 

8 Oder sie oder er wäre gläubig im religiösen Sinn und glaubte etwa an die Macht des Gebets.

 

9 Dies ist keine Exekution, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Juni 2017

 

Vgl. auch

 

http://samamaani.blogspot.com/2019/12/exekution-ist-keien-kunst.html

 

10

https://news.artnet.com/art-world/dana-schutz-painting-emmett-till-whitney-biennial-protest-897929

 

11 wörtlich „Argument mit dem Stock“.

 

12 G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Stuttgart 1987, S. 232

Mittwoch, 17. Februar 2021

Von der Bösartigkeit des Banalen (1)

Karte (des real existierenden) Teherans

Vor Jahren erteilte mir ein berühmter Schriftsteller bei Gelegenheit einer – amerikanischen Creative Writing Kursen nachempfundenen – Schreibwerkstatt einen Rüffel. Ich hatte ihn und andere Anwesende darauf hingewiesen, dass der Name Teheran in jenem Roman, an dem ich damals arbeitete, nicht für die real existierende Stadt gleichen Namens steht, sondern ein imaginäres Land bezeichnet, das mit dem real existierenden Iran zwar einiges gemein hat, mit diesem aber nicht ident ist. Es gehe nicht an, meinte jener Berühmte, dass ein Autor seinem Text, gleichsam als lebender Beipackzettel, nachlaufe, um seinen Leserinnen und Lesern zu erklären, wie sie ihn zu verstehen hätten.

Der Rüffel schien mehr als berechtigt. Ich fühlte mich beschämt und beschädigt. Was mich aber nicht daran hinderte, die Versuche, meine literarischen Texte meinen (potentiellen) Leserinnen und Lesern zu erklären, weiterzuführen. Zu den mündlichen kamen schriftliche – in gesellschaftskritische Texte über Identitätspolitik, „Migrantenliteratur“ etc. eingefügte – Erklärungsversuche meiner literarischen Produktion.

 

Neulich trieb ich meine Erklärungssucht auf die Spitze. Bei einer Online-Lesung für das Literaturhaus Salzburg1 las ich – noch vor der Lesung einer Passage aus meinem Roman Teheran Wunderland2 – eine Stelle aus einem Essay3, über die fiktive Begegnung mit einer Leserin, die überzeugt ist, dass ein frauenfeindliches Gedicht aus der Feder einer der Romanfiguren die frauenfeindliche Position von dessen Autor wiedergeben würde. Also meine. Sowie über den Versuch mich (unter Verweis auf den Unterschied zwischen der Person und den Positionen des Autors und der Figuren eines Romans) zu rechtfertigen.

Die Erklärungen zu einem Roman, sprich zu einem fiktiven Text, nahmen hier also ihrerseits die Gestalt einer Fiktion an. Einer Fiktion, die allerdings auf irritierende reale Erfahrungen basierte. Zudem enthielt auch diese Passage aus dem Essay den Hinweis, dass Teheran in Teheran Wunderland genauso wenig die real existierende Stadt gleichen Namens bezeichnet wie jenes Teheran, das in meinem Roman Ungläubig4 vorkommt und dessenthalben ich mir seinerzeit den Rüffel jenes Berühmten eingehandelt hatte.

 

Unmittelbar nach der Lesung machte ich eine weitere irritierende Erfahrung – auf Facebook. Ein flüchtiger Bekannter aus (dem real existierenden) Teheran, der, soweit ich mich erinnere, dortselbst und in Wien Soziologie und Englische Literatur studiert hat, zeigte sich über die vorgelesene Romanpassage irritiert, ja geradezu empört. Darin ist von einem Umerziehungslager für junge, aus der Sicht der Machthaber des „Teheraner Regimes“ politisch irregeleitete Menschen die Rede, in dem geradezu paradiesische Zustände herrschen. Oder zu herrschen scheinen. Wie können Sie, schrieb mein Teheraner Landsmann, solch ein „positives, liberales Bild“ vom Regime im Iran zeichnen? Gerade Sie, dessen Stimme – im Unterschied zu der Stimme der meisten anderen Iraner hier – in der Öffentlichkeit gehört wird, sollten sich bemühen, ihre Leserinnen und Leser im deutschsprachigen Raum über die wahren Zustände im Iran aufzuklären.

 

Ich antwortete, dass ich vor Beginn der eigentlichen Lesung ohnehin erklärt hätte, dass Teheran in Teheran Wunderland weder mit dem realen Teheran noch mit dem Iran identisch sei, auch wenn es zwischen dem ersteren und den beiden letzteren Gemeinsamkeiten gäbe. Dass es sich um einen Roman und nicht um einen Reise- oder Tatsachenbericht handle, dass ... in diesem Moment fiel mir der Rüffel jenes Schriftstellers ein, Robert Schindel ist sein Name (keine Ahnung, warum ich ihn nicht gleich genannt habe. Vermutlich verhalte ich mich als ehemaliger Psychoanalytiker auch bei Berichten über Personen, die keine AnalysandInnen waren, so, als würde ich einer Schweigepflicht unterliegen) – und ich musste schmunzeln. „Bisher dachte ich“, dachte ich, „ich darf es ihnen nicht erklären. Sie sollen es selbst verstehen. Jetzt merke ich: Sie verstehen es auch dann nicht, wenn ich es ihnen erkläre.“

 

Tags darauf merkte ich, wie sehr mich jene Facebook-Kontroverse verärgert hatte und im Geiste gab ich den Kommentaren meines Landsmanns – angelehnt an eine Passage in einer Vorlesung von Adorno, in der er Hannah Arendts Rede von der Banalität des Bösen chiastisch5 paraphrasiert und von der Bösartigkeit des Banalen spricht6 – die Überschrift Von der Bösartigkeit des Banalen.

Genauer betrachtet, waren aber die Kommentare des Teheraner Anglisten, die mich „böse“ gemacht hatten (daher Von der Bösartigkeit des Banalen) und die ihnen zugrundeliegende Voraussetzung (die Verwechslung der Schilderung eines surrealen Umerziehungslagers in einem Roman mit einem Tatsachenbericht über die reale Situation im Iran) keineswegs banal, sondern absurd – zumal ein Experte für (englischsprachige) Literatur diesem Missverständnis erlegen war. Banal war vielmehr meine Reaktion auf die Kommentare meines Landsmanns, hatte ich mich doch gezwungen gesehen, letztere (sinngemäß) mit der höchst banalen Aussage zu kontern, ein Roman sei ein Roman und kein Tatsachenbericht.

 

Die Banalität ist hier also die Folge der Absurdität und es stellt sich die Frage, ob der Zusammenhang zwischen letzterem und ersterem über jene kleine Facebook-Kontroverse hinaus nicht auch andere aktuelle Diskurse charakterisiert. Könnte es sein, fragte ich mich, dass immer absurdere kulturelle, gesellschaftliche und politische Diskurse7 einen immer banaleren Gegendiskurs provozieren?

 

wird fortgesetzt

 

1 https://www.facebook.com/watch/live/?v=248121196255337&ref=watch_permalink

 

2 https://www.drava.at/buch/teheran-wunderland/

 

3 https://www.derstandard.at/story/2000090533413/sama-maani-die-krux-mit-der-migrantenliteratur

 

4 https://www.drava.at/buch/unglaubig/

 

5 Der Chiasmus bezeichnet eine rhetorische Figur, bei der Wörter oder Satzteile überkreuzt werden. Ein Stilmittel, dessen sich etwa Marx in Anlehnung an Hegel gerne, aber nicht immer glücklich bediente: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen“.

 

6 Die Passage konnte ich später nicht wiederfinden und wäre meinen LeserInnen für einen diesbezüglichen Hinweis sehr dankbar.

 

7 Dass die aktuellen gesellschaftlichen Diskurse immer absurdere Züge annehmen, werde ich im Folgenden exemplarisch zu zeigen versuchen.

Sonntag, 7. Februar 2021

Kritik an der Ankündigung einer Iran-Veranstaltung der "Grünen Zukunftsakademie"

Bildergebnis für Corona Iran Khamenei
Irans Führer verbietet die Einfuhr von amerikanischem Impfstoff

 

Am 11. Februar 2021, dem 42. Jahrestag der Islamischen Revolution im Iran, veranstaltet FREDA, die Grüne Zukunftsakademie, eine Informationsveranstaltung über den Iran, in deren Ankündigungstext u.a. das Folgende zu lesen ist:

 

Der Iran steht wie kaum ein anderes Land in der weltweiten Aufmerksamkeit. Auf der einen Seite liest man über beschlagnahmte Öltanker, Anreichern von Uran oder einen Drohnenabschuss; auf der anderen Seite sehen Menschen ein Land, welches von den USA als Spielball genutzt wird – hier wären beispielsweise die US-Verschärfungen der Sanktionen zum Höhepunkt der Coronakrise zu nennen – und nicht länger tyrannisiert werden möchte. Dass Konflikte mit dem Iran keine Auswirkung auf Europa hätten, ist eine Fehlannahme.

 

Da mich dieser Ankündigungstext – zurückhaltend formuliert – irritierte, schrieb ich ein E-Mail an die Veranstalter, in dem u.a. das Folgende zu lesen ist:

 

Als „alter Linker“ sind mir antiamerikanische Reflexe nur allzu vertraut. Bei aller Kritik gegenüber der (unter verschiedenen US-Präsidenten unterschiedlichen und auch während ein und derselben Präsidentschaft häufig inkonsistenten) US-Außenpolitik sollten wir aber nicht vergessen, dass Gesellschaften und Individuen in der – früher sogenannten – Dritten Welt nicht bloß willenlose Marionetten der US-Politik sind, dass sie ihr Schicksal zumindest zu einem großen Teil selbst bestimmen.


So wurde etwa die Islamische Revolution 1979 nicht von den USA veranstaltet. Sie war hausgemacht. Und es waren die Vertreter des aus jener Revolution hervorgegangenen Regimes (und nicht die USA), die im November 2019, wieder einmal, hunderte Demonstranten abschlachteten – laut Reuters waren es 1500. Diese Proteste werden in Ihrer Diskussions-Ankündigung genauso ausgeblendet wie die Todfeindschaft der Islamischen Republik gegen Israel, ihre systematische Leugnung des Holocaust und ihr Gründungsziel, die Vernichtung des jüdischen Staates. Alles das sollte gerade in Österreich, einem Nachfolgestaat des Dritten Reiches, besondere Aufmerksamkeit finden – möchte man meinen.

 

In Ihrer Ankündigung wird behauptet, der Iran sei „ein Land, welches von den USA als Spielball genutzt wird“. Seit ihrer Gründung 1979 betrachtet die Islamische Republik Iran die USA als Erzfeind. Der Iran kann folglich von den USA genauso wenig „als Spielball genutzt werden“ wie diese etwa Nordkorea als Spielball nutzen könnten oder früher die Sowjetunion. Vielmehr versuchen die USA seit Jahren – mit überschaubarem Erfolg – die regionale Expansionspolitik der Islamischen Republik einzudämmen (für die Situation der Menschen im Iran scheinen sie sich aber genauso wenig zu interessieren wie europäische Regierungen). Und es ist die Regionalmacht Iran, die durch die massive Präsenz ihrer schiitischen Milizen Länder wie den Irak, den Jemen, Syrien und den Libanon als Spielball benützt, mit katastrophalen Folgen wie der Dauerkrise im Irak und im Libanon und den kriegerischen Konflikten in Syrien und im Jemen. Darauf und auf die Tatsache, dass der Iran die Entwicklung atomwaffenfähiger Raketen vorantreibt und terroristische Gruppen, wie die Hisbollah oder den Hamas, unterstützt (Stichwort: Raketenkrieg gegen Israel) versuchen die USA zu reagieren, in erster Linie mit Sanktionen.

 

Übrigens sind die US-Sanktionen gegen die Islamische Republik keine Erfindung Trumps. Sie wurden erstmals 1979 nach der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran und der Geiselnahme von 52 US-Diplomaten verhängt, die man 444 Tage lang gefangen hielt. In den 1990ern wurden die Sanktionen durch neue ergänzt und unter Obama verschärft – vor allem in Zusammenhang mit dem Atomwaffenprogramm des Regimes. So gesehen, sind es die USA, die auf Entwicklungen in der Islamischen Republik reagieren, sich also, pointiert gesagt, zum Spielball des Irans machen, nicht umgekehrt.

 

Und wenn schon die „US-Verschärfungen der Sanktionen“ mit dem „Höhepunkt der Coronakrise“ in Zusammenhang gebracht werden, sollte nicht unterschlagen werden, dass das islamische Regime Anfang 2020, um die Parlamentswahlen (die ihm Legitimität verleihen sollen) und die Jubiläumsfeiern zum Jahrestag der Revolution am 11. Februar ungestört über die Bühne gehen zu lassen, die ersten Corona-Fälle im Iran systematisch vertuscht hat. Dass die den Revolutionsgarden nahestehende „Mahan Air“ bis Ende März 2020 – als es schon zahllreiche Corona-Tote im Land gab – regelmäßig Flüge von und nach China durchführte. Und dass der Führer der Islamischen Republik vor kurzem die Einfuhr von amerikanischen und britischen Impfstoffen verboten hat.

 

Über die komplizierte Beziehung zwischen dem iranischen Regime und den USA gäbe es noch viel zu sagen. Hier der Link zu einem Artikel von mir im Standard, der einige Klischeevorstellungen über die Islamische Republik und ihre Beziehung zu den USA zu dekonstruieren versucht:

 

https://www.derstandard.at/story/2000105196763/will-trump-den-regime-change-im-iran

 

Ich hoffe, dass der eine oder andere von mir angeführte Kritikpunkt Eingang in die Diskussion am Donnerstag findet und verbleibe

 

mit den besten Grüßen

 

Sama Maani

Freitag, 18. Dezember 2020

Zizek in Teheran

Im Februar 2021 erscheint mein neuer Roman "Zizek in Teheran", an dem ich seit acht Jahren arbeite, bei Drava.

https://www.drava.at/buch/zizek-in-teheran/

Dienstag, 24. November 2020

Zum Proteststurm gegen Farid Hafez

Novemberpogrome 1938 – Wikipedia 

Dass der Politologe Farid Hafez die jüngst bei mutmaßlichen Muslimbrüdern durchgeführten Razzien mit den Novemberpogromen 1938 verglichen hat, führte zu heftigen Protesten. Politiker und Wissenschaftler bezeichneten Hafez’ Aussagen zu Recht als infam – und stellten seine Lehrbefugnis in Frage.

Im Proteststurm wurde aber übersehen, dass der Vergleich der sogenannten „Islamophobie“ mit dem Antisemitismus, der Hafez’ Aussagen zugrunde liegt, und die Behauptung, dass Muslime die „neuen Juden“ seien, mittlerweile fester Bestandteil linker und liberaler Diskurse geworden ist. Und von weit reputableren Persönlichkeiten als Hafez in Stellung gebracht wird. Etwa von Alexander Van der Bellen. 

Als dieser bei einer Diskussionsveranstaltung im März 2017 auf das Thema „Islamophobie“ angesprochen wurde, meinte er: „Wenn das so weitergeht [...] bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen – alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun.“ Und: „Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Dänen während der deutschen Besatzung doch etwas ähnliches gemacht. Und nicht–jüdische Dänen haben angefangen, den Davidstern zu tragen – als symbolische Geste des Widerstands gegen die Deportation von Juden.” Van der Bellens Aussagen waren Gegenstand heftiger Kontroversen und es fehlte auch nicht der Hinweis, dass der Davidstern in Dänemark – vermutlich weil die Nazis einer Konfrontation mit dem dänischen König aus dem Weg gehen wollten – niemals eingeführt wurde. Ausgeklammert blieb allerdings die Kernfrage der Affäre: Ob es stimmt dass „Islamophobie“, wie vielfach behauptet, der neue Antisemitismus sei. Und was es mit dem Begriff „Islamophobie“ überhaupt auf sich hat. 

Dass Menschen aus der Türkei oder dem arabischen Raum in allererster Linie als Muslime wahrgenommen werden, ist ein relativ neues Phänomen. Noch in den 1990er Jahren behauptete der Diskurs der Rassisten in Österreich und in Deutschland, die Türken würden „uns“ deshalb Probleme bereiten, weil sie eben Türken seien. Seit dem Erstarken des sogenannten politischen Islam, vor allem seit den Anschlägen von Nine Eleven, behaupten die Vertreter des neuen rassistischen Diskurses, die Türken (die Araber, die Nordafrikaner) würden „uns“ Probleme bereiten – weil sie Muslime seien. Der Islam gilt diesem Diskurs nicht mehr bloß als Glaubensbekenntnis, zu dem sich jemand bekennen mag oder auch nicht, sondern als eine Art „Natureigenschaft“ von Türken, Arabern oder Iranern. 

Allerdings gehen die – wohlwollenden und weltoffenen – linken und liberalen Gegner des neuen Rassismus, statt die falsche, weil fixe Verknüpfung zwischen einem Glaubensbekenntnis und bestimmten Individuen und Gesellschaften zu dekonstruieren, von den selben Identitätskonstruktionen aus wie die Rassisten. So wurde, um ein Beispiel zu nennen, Muna Duzdar, Staatssekretärin unter Christian Kern, die sich als nicht-praktizierende Muslima bezeichnete, gerade auch von linksliberalen Medien regelmäßig darauf reduziert, „das erste Regierungsmitglied muslimischen Glaubens“ zu sein. Sie erwiderte oft, sie sei ja auch die erste Kaisermühlnerin in der Bundesregierung, das sei zwar bemerkenswert, aber nicht die Hauptsache. Dennoch wurde sie, die unter anderem für Digitalisierung und Beamte zuständig war, fast ausschließlich zu Themen wie Kopftuch oder Terrorismus befragt. Es wurde ihr, anders gesagt, die Kompetenz abgesprochen, für etwas anders als „für den Islam“ zuständig zu sein. 

Ebene diese „volle Identifizierung“ von Individuen mit dem Islam drückt sich auch in Begriffen wie „Islamophobie“ aus. Wer nicht müde wird, „Islamophobie“ als rassistisch zu bezeichnen oder den neuen Rassismus als „antimuslimisch“ zu etikettieren, erklärt den Islam, ohne es selbst zu bemerken, zu einer quasi genetischen Eigenschaft von Arabern, Türken oder Iranern. Eine ihrerseits zutiefst rassistische Position. Und reproduziert, statt sie zu bekämpfen, die rassistische Ideologie der „vollen Identität“ zwischen Individuen und der Kategorie Islam.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Positionen der Rechten Muslimen gegenüber sind tatsächlich rassistisch. Inwiefern sie das sind – diese Frage kann der aktuelle linke und liberale Diskurs aber nicht beantworten. Denn per se kann weder die Kritik an einer Glaubenslehre noch der Hass auf Anhänger einer Glaubens-gemeinschaft rassistisch sein, auch wenn letzterer genauso abzulehnen wäre wie Rassismus. Rassistisch ist einzig jene Ideologie der „vollen Identifizierung“ mit dem Islam, die rechte Rassisten mit linken und liberalen „Antirassisten“ teilen. 

Übrigens: Dass Muslime heute in den liberalen Demokratien des Westens weit mehr Religionsfreiheit genießen als in vielen islamisch geprägten Ländern (man denke an die Unterdrückung von Schiiten im wahhabitischen Saudi–Arabien oder der Aleviten in der Türkei) ist nicht etwa das Resultat eines interreligiösen Friedensvertrags zwischen dem Christentum und dem Islam, sondern der Emanzipation der Gesellschaft von Religion. Eine Emanzipation, die undenkbar wäre, ohne die radikale Religionskritik der Aufklärer des 18. Jahrhunderts. Dass falsche Begriffe wie „Islamophobie“ Religionskritik – somit jene Emanzipation der Gesellschaft von Religion – hintertreiben, auf die auch die Religionsfreiheit der Muslime in westlichen Demokratien gründet, ist eine der seltsamen Paradoxien der aktuellen Islam–Debatte.

Die Gleichung „Islamophobie“ = der neue Antisemitismus beruht auf der Annahme, dass es sich sowohl beim Antisemitismus als auch bei „Islamophobie“ um Rassismus handeln würde, so dass es berechtigt wäre, beide Begriffe miteinander zu identifizieren. Die falsche Verknüpfung von „Islamophobie“ und Rassismus hat uns gerade beschäftigt. Aber: Ist Antisemitismus gleich Rassismus?

Wie Moishe Postones Analysen zeigen, ist der moderne Antisemitismus – auch wenn es hier Berührungspunkte geben mag – weder eine „Unterbateilung des Rassismus“ noch ein bloßes „Vorurteil gegen Juden“, sondern eine umfassende Weltanschauung, in der sich verschiedene Aspekte des Unbehagens an der Moderne und am Kapitalismus bündeln und „erklärt“ werden. Eine Weltanschauung, die dem Antisemiten nicht bloß eine Erklärung sondern auch die Anleitung zur Erlösung bietet: Die Überwindung alles Bösen durch die Eliminierung der Juden.

Mit dem Antisemitismus ist der neue rechte Diskurs aber auch deshalb nicht vergleichbar, weil der Antisemit den Juden vorwirft, keine „echten Österreicher“ oder Deutsche zu sein, während der Neorassist den Muslimen, im Gegenteil, „volle Identität“ mit ihrer Gemeinschaft zuschreibt. Und sie hasst, weil er ihnen diese vermeintliche volle Identität heimlich neidet.

Mittwoch, 2. September 2020

Zizek in Teheran 207

The Persians | Ioannina | August 19 | What's On | ekathimerini.com
Die Teheraner von Aischylos

Ich sitzee übrigens immer noch hier
Im Fernsehzimmer
Der schönen Villa Manavi
Mit dem Danesch
Gleichzeitig im Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens
Wo sie mich verhören
Respektive meinen Lookalike
Wegen des Mordes
Des vorgeblichen
An Kardan
Verhört werde ich jetzt aber nicht
Sondern der Kriminalpsychoanalytiker spricht
In einem fort
Über meine Biographie und Psychodynamik
Und M2, unser Führer, versucht ihn hin und wieder (vergeblich) zu stoppen

Während ich von unserer neighborhood, der Narges, der Deutschen Schule, dem Djub usw. erzählte
Hab ich zwar mitgekriegt
Daß der Kriminalpsychoanalytiker, der islamische, redet und redet
Was er sagt, aber nicht
Hören wir wieder zu

Als der Angeklagte
Sagt Kaschef
Erfährt
Daß das
Ministerium für Unterhaltung und Islamische Führung
Beabsichtigt
Die beliebteste Fernsehserie aller Zeiten
Zu drehen
Mit Kardan als Regisseur
Will er offenbar
Seinem
Wie sagt man
Girlfriend
Jener berühmten, lieblichen, in Teheran allseits beliebten Schauspielerin
Imponieren

Seinem geliebten
Girlfriend
Mit Kardan und seinem geliebten Kardan mit dem Girlfriend
Ergo macht er sein Girlfriend und Kardan
Miteinander bekannt

Tja, mein Führer, er hat tatsächlich beide geliebt

Jetzt wird mein Gesicht eingeblendet, respektive das des Lookalikes, wie er, respektive ich, sein, respektive mein, Gesicht in der Hand haltend, schluchzt. Wie die Narges
Damals am Djub

Er machte also die beiden
Miteinander bekannt
Damit
Zum einen
Der Kardan sein girlfriend, die Schauspielerin
Für die
Beliebtese Serie aller Zeiten in Teheran
Engagiert

Als hätte Kardan, um auf die berühmte liebliche und im ganzen Teheran beliebte Schauspielerin aufmerksam zu werden, der Unterstützung des Angeklagten bedurft. Andrerseits konnte Kardan, weil Sie ihn, Sie verzeihen, mein Führer, all die Jahre eingesperrt hatten, all die nachgewachsenen jungen, lieblichen Schauspielerinnen
Und folglich im ganzen Teheran beliebten
Gar nicht kennen

Beleibte
Lacht Danesch
Er hat beleibte gesagt
Hat er nicht
Sage ich und weiß nicht
Warum ich mich ärgere.
Weil ich nicht will, daß der Danesch
(Wenn auch in Form eines
Einem Kriminalpsychoanalytiker, einem islamischen, unterstellten Versprechers)
Zu Narges beleibt sagt?
Beleibt ist sie ja beileibe nicht, LeserIn
Wenn auch
Aber lassen wir das
Der Hintern

Mein Ärger über Danesch
Indem es sich mit dem Ekel über die Lippen
Des Kriminalpsychoanalytikers mischt, des islamischen, droht unerträglich zu werden.
Jedesmal, wenn sie, die Lippen nämlich
Des Kriminalpsychos, des islamischen
Lieblich
Sagen
Kräuseln sie sich
Und nicht nur die Augen sind es
Die leuchten
Verzückt
Sondern es öffnen, wie ein Knospe sich öffnet
Sich die islamisch-
Psychoanalytischen Lippen
Als wollten sie innig
Die der Narges (und nicht nur die Lippen
Der Narges) berühren

Indem er sie dem Kardan also vorstellte
Wollte er der Schauspielerin
Mittels Kardan
Zu einem
Karrieresprung
Wie sie in Teheran heute sagen
Verhelfen
Zum andern
Der Jungen, Lieblichen, in Teheran äußerst Beliebten
Mittels Kardan
Renommieren und großtun
Den er ihr als guten Freund vorgestellt haben mag.

Dem Kardan wieder wollte er mit ihrer Lieblichkeit und Jugend
Und Intelligenz
Imponieren und großtun

Warum aber einer wie der Angeklagte des
Renommierens und Protzens und Prahlens
Ständig bedarf, ist nicht bloß eine Frage der individuellen Kriminalpsychoanalyse
Der islamischen
Sondern hier stellt sich
Leider
Eine Frage
Von gesellschaftlicher Relevanz

Denn der Fall des Angeklagten
So sonderbar er klingen mag
Ist kein Sonderfall
Sondern für unser Teheran
Im Gegenteil typisch, mein Führer

Und so bitter es für mich ist
Es sagen
Und für Sie, mein Führer
Es hören zu müssen
Hunderttausende unsrer Teheraner Männer
Um nicht Millionen zu sagen
Ähneln dem Angeklagten in seinem Charakter
Um nicht gleichen zu sagen

Zwar wird deshalb nicht jeder dieser Hunderttausenden Männer bei uns in Teheran zum Mörder
Um nicht Millionen zu sagen
Wie der Angeklagte es wurde
Würden wir aber einige
Wenige
Der Umstände, die den Angeklagten zum Mörder gemacht haben
Auch im Leben jener Hunderttausenden vorfinden
Um nicht Millionen zu sagen
Hätte Teheran den Ruf eines Mörderlandes
Und wäre diese Republik, die Islamische, ein Möderregime

Hätte? Wäre?
Rufen Danesch und ich unisono
Und klopfen uns auf die Schenkeln
Herzlich
Wie Schuhplattler in Graz
Einem gelegentlich begegnen, zumal in ländlichen Zonen

Dies Prahlen, Protzen und Renommieren
Sind natürlich bloß Symptome, mein Führer
Was aber mag dieser seelischen
Wenn ich so sagen darf
Volkskrankheit
Zugrunde liegen?
Zugegeben
Kaschef richtet einen
Bedeutungsschweren
Blick auf den Führer
Zugegeben, eine rein rhetorische Frage
Solche stelle ich immer dann, wenn ich ausholen muß
In diesem Fall muß ich
Weit ausholen

Dem Führer
Sein Gesicht wirkt rat- und hilflos zugleich
Geradezu mitleiderregend, sagt Danesch

In diesem Fall
Sagt Kaschef
Muß ich weit ausholen
Die Russisch-teheranischen Kriege
Aka die Russenkriege 

Ich schaue den Danesch genauso verdutzt an wie der Führer den
Kriminalpsych
Den islamischen
Danesch wirkt aber mitnichten verwundert
Scheint gar dem Kriminalpsycho vorgreifen zu wollen
Dem islamischen
Und mir den Zusammenhang zwischen den Russenkriegen und dieser, mit Kaschef zu sprechen, Volkskrankheit schneller
Und kompetenter erklären zu wollen
Als der Kriminalpsychoanalytiker, der islamische, selbst
Hält aber an sich
Und läßt den Kaschef

Aus Wikipedia – Die freie Enzyklopädie

Die Russenkriege fanden 1722 bis 1828 zwischen dem Kaiserreich Teheran und dem Russischen Reich statt. Sie wurden alle von Russland gewonnen.

Der erste Russenkrieg (1722 bis 1723), in Russland auch als Teheraner Feldzug Peters des Großen bekannt, wurde von diesem begonnen, um den russischen Einfluß auf den Kaukasus auf Kosten von Teheran auszudehnen sowie um Konstantinopel von drohenden Territorialgewinnen abzuhalten. Nach Kriegsende mußte Teheran große Gebiete im Nord- und Südkaukasus an Russland abgeben.

Der zweite Russenkrieg von 1796 fand ebenfalls im Kaukasus statt, endete ebenfalls mit einem der Russen, hatte aber keine wesentlichen Folgen für die beteiligten Staaten.

Im dritten – und längsten – Russenkrieg,1804 bis 1813, ging es ebenfalls um die Vorherrschaft im Kaukasus. Als Kaiser Faramars I. auf die Regionen Karabag, Schirwan, Talisch und Scheki Anspruch erhob, erklärte Russland Teheran den Krieg. Die Russen stießen nach Süden vor, konnten es sich jedoch nicht leisten, allzu viele Truppen in den ehemals Teheranischen Kaukasus zu entsenden, da sie in kriegerische Konflikte mit Stockholm, Konstantinopel, und Paris verwickelt waren, weshalb sie gegen die zahlenmäßig stärkeren Teheraner Truppen auf ihre militärisch-technische Überlegenheit setzten. Die Armee der Teheraner bestand großteils aus – unorganisierter – Kavalerie.
Faramars sandte eine Delegation zu Napoleon Bonaparte, der sich im ostpreußischen Schloß Finckstein befand, wo am 4. Mai 1807 die Pariserisch-Teheranische Allianz geschlossen und Teheran umfassende personelle und materielle Unterstützung zugesagt wurde. Nachdem die Russen am 14. Juni 1807 in der Schlacht bei Friedland eine schwere Niederlage gegen Napoleon erlitten hatten, kam es am 7. Juli 1807 zum Frieden von Tilsit. Paris und Russland wurden Verbündete. Das zwischen Teheran und Russland strittige Georgien wurde im Friedensvertrag von Tilsit gar nicht erwähnt.

Den vierten und letzten Russenkrieg ersparen wir uns, LeserIn
Wir sind schließlich ein Roman und nicht die
Encyclopaedia Teheranica
Lassen wir doch wieder den Kaschef

Die Russenkriege
Sagt Kaschef
Deren dritten wir zum Heiligen erklärten
Und haben trotzdem verloren
Auch die drei andren
Sind die Quelle der von mir seit Jahren mit meinen Kollegen vom
Fardid-Institut für islamische Kriminalpsychoanalyse
In der Stewart Chamberlain-Street in Teheran-West
Seit Jahren beforschten
Von uns
Russenkriege-Komplex
Genannten
Seelischen Volkskrankheit
An der eine Mehrzahl unsrer männlichen Mitbürger leidet.

Seit den Russenkriegen haben sie ihre Selbstachtung verloren
Die Männer
In Teheran
Und bevor wir islamisch wurden
Ist es auch schon passiert
Immer wieder
Seit der Antike
Hat Teheran
Seine Selbstachtung verloren
D.h. seine Männer

Den Angeklagten, also mich, respektive meinen Lookalike
Haben sie scheint’s vergessen
Sie zeigen ihn nicht mehr
Respektive mich nicht
Und der Führer scheint jetzt nicht mehr bloß wegen der Weitschweifigkeit des Kriminalpsychs
Des Islamischen, verzweifelt zu sein
Sondern wegen dem, was er sagt

Ja, Führer, nicht erst das Teheranisch-islamische
Schon das antike
Teheran der Feueranbeter
Und seine feuerdienstlichen Bewohner
Haben by and by die Selbstachtung verloren
Nachdem uns die Athener schon bei Marathon besiegt hatten
Zerstörten sie uns bei Salamis die Armada
Und dann wurde das Teheranische Weltreich vom Alexander erobert
Und immer haben die Athener uns
Listig wie sie sind
Als weibert hingestellt

Schon in
Die Teheraner
Das älteste, wie Sie wissen, erhaltene Drama, mein Führer, der Welt
Stellt uns Aischylos als weibert hin, indem die Hauptperson
Atosa
Die Queen Mom der Teheraner sozusagen, ein Weib ist
Und Xerxes reißt sich am Ende das ohnehin schon zerrissene
Gwand vom Leib
(Gwand ist
Wie du dir schon gedacht haben magst
Ein ursüdteheranisches Wort, LeserIn
Das dem Kriminalpsychoanalytiker
Wohl nur deshalb
Über die Lippen gekommen sein dürfte
Weil das Thema ihn mitreißt)
Und stimmt einen Klagegesang an
Waidwund
Wie ein Klageweib
Ein Athenisches.

Und indem sie nicht aufhören können
Uns als weibert hinzustellen
Die Athener, später die Römer
Und in der Neuzeit London, Paris und überhaupt
In der neuesten Neuzeit Chicago
Kam es by und by
Und die Niederlagen gegen die Athener und Alexander
Und Araber und Mongolen trugen dazu
Das ihrige bei
Daß wir tatsächlich weibert wurden, mein Führer, und sind

Denken Sie bloß an die traditionellen Gwänder der Männer in diversen Regionen des Landes, die Sie im
Nationalen Teheraner Volkskundemuseum
In der Richard-Wagner-Avenue bewundern können, im Osten von Teheran-Ost, D.h. nicht bewundern, sondern verachten wollen wir die
Mit Eiderdaunen gefüllten Haus- und Herrenröcke
Seidenhemden, die türkisen, pastellgelben
Hochschließenden Jacken
Sowie die Hosen
Aus Atlas
Die Wattierten Beinkleider
Samtbarette
Seidensteppdecken, himmelblaue
Die berüschten Morgenröcke, die roten und tiefblauen
Rosengirlanden
Hausschuhe mit Pelz und Watte gefüttert.

Die Kleiderordnung
Nein nicht Keiderordnung, die gibt es ja erst
Oder die Kleiderverordnung
Haben wir erst seit dem Sieg der Revolution
Der islamischen
Die nicht
Ich meine
Die Bekleidungsgewohnheiten der Männer in Teheran änderten sich erst mit dem
Einzug der Moderne

Bei aller Feindschaft gegen die Moderne, mein Führer (und Chicago und London und Tel Aviv)
Hatte sie ihre Meriten
Weil bei uns vor hundert Jahren in Teheran mit dem Einzug der Moderne
Die Männer
Die Putzsucht
Und die Haus- und Herrenröcke, die berüschten
Und ihre Beinkleider, die wattierten
Ablegen
Und Herrenhemden und –Hosen anlegen mußten
Und Sakkos
Für Herren.

Aber dann
Irgendwann
Kam
Flower Power
Und schon wieder trugen die Männer in Teheran
(Schon wieder stimmt nicht ganz, aber wurscht)
Lange Haare und Blumenhemden und Patchwork-Hosen
Und die Kostüme und Stirnbänder der Hippies
Als wäre das ganze Jahr über Fasching)

Gott
Sei Dank
Dem Teheranisch-islamischen
Hatten wir kurz nach Flower Power
Unsre Revolution
Die islamische
Und nach Jahrhunderten
Meldete die sonore männliche Stimme Teherans vor der Geschichte
Die Rückkehr der sonoren männlichen Stimme Teherans in die Geschichte.

Und es war
Um aus
Das Sterben des Tunichtguts
Zu zitieren, jenem Versepos der Teheraner Spätromantik aus der Feder des
Yussefe Lasche-Abadi
Und es war alles alles gut
(Zu Deutsch heißt Lasche-Abadi wörtlich Leichen-Weiler
Also
Josef Leichen-Weiler
Oder
Leichen-Kaff
Oder
Josef Leichen-Dorf
Das sage jetzt ich LeserIn, und nicht der Krimpsych, der islamische)

Und es war
Sagt Kaschef
Alles alles gut
Möchte man meinen
Nicht wahr, mein Führer?
Aber Ach
Wäre alles so einfach
Bräuchten wir ja
Gott behüte!
Den Gott nicht

Über die Jahrhunderte
War das Weiberte nämlich
Um nicht –tausende zu sagen
Den Männern in Teheran
Oder sagen wir den meisten
Die Revolution, die islamische, hin oder her
In Fleisch und Blut eingesickert

Denken Sie an die Bewegungen, die weichen, mein Führer, der Arme und Schulter, um nicht des Beckens zu sagen
Der Teheraner Männer, verglichen mit real men in Istanbul oder gar Bagdad
Und wie beim Gehen sich gehen lassen
Die Teheraner Männer, grazil
Wie Elfen
Gar nicht zu sprechen vom Sprechen
(Der Teheraner Männer, sag jetzt ich, LeserIn, zu deiner Orientierung, nicht der Krimpsych, der islamische).

Und je mehr Zeit verstreicht
Und die Erinnerung an die Revolution verblaßt
Die islamische
Desto offensichtlicher wird dieser Mangel
Den uns die Geschichte
Uns Männern in Teheran
In die Wiege gelegt hat

Und diese Schwäche
Wollen sie nutzen
Natürlich
Und nicht nur nutzen
Sondern hegen und pflegen, mein Führer
Und ausbaun.

Sie? Wer sie?, fragen Sie
Na, die Feinde, mein Führer
Des Staates Teheran

Als Kaschef Feinde sagt, wird das Gesicht unsres Führers, M2 ,eingeblendet und erstmals seit der Kriminalpsychoanalytiker, der islamische, ausschweifend wurde, ist es weder verzweifelt noch ratlos
Noch zornig,
Sondern er nickt zustimmend
Und begeistert.

Und wenn ich Feinde sage, die dieses
Von uns im
Institut für Kriminalpsychoanalyse, die Islamische
SMMP
Genannte
Syndrom der mangelnden männlichen Performance
Ausbaun wollen
Und hegen und pflegen
Meine ich nicht bloß die Feinde im Ausland.
Denn ohne ihre Agenten im Teheraner Inland
Wären die Feinde
In Chicago und London und Tel Aviv
Und neuerdings auch in Berlin
Hilflos
Und außerstande ihre ominösen Pläne
Auszuführen.

Aber Agenten ist bei manchen dieser Agenten
Nicht das richtige Wort
Womit wir wieder auf den Angeklagten zurückkommen
Denn es handelt sich
Bei diesem Anklagefall nicht bloß um Mord
Sondern um die Gefährdung der nationalen Sicherheit
Des Staates Teheran
(Zurückhaltend gesagt)

wird fortgesetzt