Literaturwettbewerb |
Aber
weder stürze ich noch würge. So etwas tun wir Analytiker nicht. Würde und
Würge. Vertragen. Und reimen sich nicht (wirklich). Ja, ja - ich habe bereits
(gewürgt), ich weiß, eh den Gefängnisarzt, das war aber ein politischer Akt. Ich bin ein politisch
Verfolgter diese Regimes, schon vergessen? Schau nach, oben, unter: Polizeiambulanz. Ich politisch
Verfolgter – und der Gefängnisarzt Agent des Regimes. Obwohl - desto weniger
Agent je mehr er erzählt. Wollen wir ihm Glauben schenken, LeserIn? Vergessen
wir nicht: (Islamischer) Geheimpolizist und (islamischer) Oppositioneller wechseln
im islamischen Regime schnell einmal den Platz. Wenn sie nicht gerade simultan beide
Plätze einnehmen.
Ich
setze mich wieder auf den Analytikersessel und lassen wir den Gefängnisarzt
reden. Lieber nicht. Ist uns doch sein Reden suspekt, (von wegen: Desto weniger
Agent je mehr er erzählt). Mit dem Wortlaut seines Redens werde ich Dich bis
auf weiteres verschonen. Nicht aber mit dem Laut meiner Worte (und zum
Ausgleich dafür, daß seine Worte mitunter umständlich sind, sind die folgenden Stichworte):
- Der zweite Kugelschreiber, den der
Übersetzer dem Gefängnisarzt überreicht, enthält die nächste Botschaft:
Ich will nichts als übersetzen.
Da-,
resp. seither heißt der Übersetzer Der
Übersetzer.
- Im nächstfolgenden,
i.e. dritten Kugelschreiber verlangt der Übersetzer ein Diktiergerät. Den ihm der Gefängnisarzt auch besorgt. Ohne zu
wissen, wozu der Übersetzer das Diktiergerät braucht, noch, warum er es ihm besorgt
(auch wenn der Gefängnisarzt im Gefängnis Narrenfreiheit genießt, wegen seiner
Verbindung zu Namwar, mit einer solchen Aktion, wäre sie denn aufgeflogen, hätte
er sich gefährden können).
- Bzw. er
weiß schon warum: Der Elektrische, der sein Haus auf den Schultern trägt, TV-Serie er 70er Jahre, sein
Haus: Ein roter alter Mercedes. Mit Schrägdach. Der Elektrische, LeserIn,
ist das Idol seiner Kindheit – wie auch meiner – siehe oben. Obwohl der
Gefängnisarzt jünger sein müßte als ich.
- Später: Der Gefängnisarzt sieht den Übersetzer,
wie er im Lesesaal (der Bibliothek mit der Aussicht auf Teheran wie aus
dem Flugzeug) sitzt, liest - und ins Diktiergerät spricht. Wir folgern: Der
Übersetzer übersetzt.
- Nach
und nach (mittels weiterer Kugelschreiberbotschaften) offenbart der Übersetzer dem
Gefängnisarzt, daß er
- nie
Drehbuchautor werden wollte, immer Schriftsteller.
- Daß er
in jungen Jahren nur zufällig Drehbauchautor geworden war.
- Durch
eine, so der Gefängnisarzt, Preisverleihungsgeschichte.
– Und
die geht so:
In
jungen Jahren hatte Kardan, resp. der Übersetzer, beim interkulturellen und kulturkritischen
Literaturwettbewerb:
Unbehagen zwischen den
Kulturen
einen
Text eingereicht. Und den zweiten Preis erhalten. Später hatte er durch Zufall erfahren,
Teheran ist klein, daß vier (von fünf) JurorInnen der Jury des
Literaturwettbewerbs seinem Text den ersten Preis hätte zusprechen wollten. Die
fünfte jedoch, eine Teheraner Feministin, hätte Kardans Text für rassistisch gehalten. Weil in ihm das
Wort Neger vorgekommen sei. Und zwar
im folgenden Satz: Ich hasse das Wort Neger und verwende es nie. Weiters sei im
Text das Wort Hure vorgekommen, so
daß die Teheraner Feministin, eine Sängerin, sich genötigt gesehen hätte, den Text
als antifeministisch zu empfinden. Und hätte gesagt: Ein solcherart rassistischer und antifeministischer Text verdiene überhaupt keinen Preis, schon gar
nicht den ersten. Als Kompromiß hatte ein, so der Gefängnisarzt, grottenschlechter politisch jedoch grottenkorrekter Text (die Schilderung der sexuellen Unzufriedenheit
einer Teheraner Frau aus der Sicht einer Teheraner Frau), in dem die Worte Hure
und Neger nicht vorgekommen seien, den ersten Preis erhalten - und Kardans Text den zweiten.
Du fragst Dich natürlich, LeserIn, wie eine solche Geschichte in auf Papierstückchen verteilte
Kugelschreiber-Botschaften erzählt werden kann.
wird fortgesetzt
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