Montag, 02. März 2015, 19.00 Uhr, hinterland galerie, Krongasse 20, 1050 Wien
http://www.hinterland.ag/galerie/discussion-literature-and-theory/voegeln-ist-schoen-koennen-wir-noch-fliegen/
Vögeln ist schön stand 1968 als Graffito an einem Provinzschulhaus. Die, die es geschrieben hatten, wurden dafür vor Gericht gestellt.
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Vögeln ist schön stand 1968 als Graffito an einem Provinzschulhaus. Die, die es geschrieben hatten, wurden dafür vor Gericht gestellt.
Was
ist Sexualität? Ist sie gefährlich und schmutzig? Stiftet sie Frieden, oder
dient sie der Macht und dem Kampf? Bedarf sie der Freiheit oder des Verbots?
Was ist sie für Kinder?
In
ihrem Buch Vögeln ist schön – Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr
bleibt (Rotbuch Verlag 2014) interpretiert Ulrike Heider verschiedenste Antworten
auf solche Fragen im historischen und politischen Zusammenhang. Sie hat
Geschichte und Ideengeschichte der Sexuellen Revolution geschrieben und ihre
Inhalte mit späteren Sexualdiskursen verglichen. Mit oft scharfer Kritik und
der Würze persönlicher Erinnerungen schickt die Autorin den Leser auf eine
ideologische Zeitreise von den 1950er Jahren bis heute.
Drastisch
schildert sie Verbote, Zensur und Doppelmoral zu Zeiten des kalten Krieges. Mit
Vergnügen lässt sie die Sexrevolte von 1968 aufleben, berichtet von Skandalen
an Gymnasien, von der Freien Liebe antiautoritärer Studenten, von Kommune 1 und
2. Auch die Klitoris als Schlüssel zum Reich weiblicher Zärtlichkeit kommt zu
ihrem historischen Recht, ebenso wie die Kampagnen gegen den „Schwanzfick“ und
jene Feministen, die sich „Softies“ nannten.
Als
Helmut Kohl die „geistig moralische Wende“ ausrief, war der kurze Sommer des
„Make Love not War“ vorbei. Die „Tränen des Eros“ begannen zu fließen, aus
Hedonisten wurden Libertins. Sie rehabilitierten Pornographie und Bordellerotik,
propagierten abgründige Leidenschaften und Geschlechterkämpfe. Ein
pessimistisches Bild von Sexualität gewann an Einfluss, das heute in erotischen
Bestsellern wie „Shades of Grey“ oder „Feuchtgebiete“ weiterlebt. Eine Mischung
aus scheinbarem Tabubruch und herkömmlichem Sexualkonservatismus feiert mediale
Trumpfe, während die Vermarktung menschlicher Lust bis ins Monströse
fortgeschritten ist. Dazu tritt eine an die 1950er Jahre erinnernde
Sittenfront, angeführt von angeblichen Kinderschützern, Frauenfreunden und
verkappten Schwulenfeinden.
Ulrike
Heider plädiert für einen neuen Befreiungsdiskurs, der Sexualität wieder im
gesellschaftlichen Zusammenhang thematisieren und mit Genuss und Lebensfreude
verbinden müsste.
Ulrike Heider liest nach einem einleitenden
Statement von Helmut Dahmer aus
ihrem Buch Vögeln ist schön – Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr
bleibt (Rotbuch Verlag 2014). Walter
Fanta liest aus seinem in Entstehung begriffenem „Jakobsroman“, in dem es
um die sexuellen Nöte und Befreiungsversuche eines katholischen Religionslehrer
geht.
Moderation:
Sama Maani
Ulrike
Heider, geb. 1947, studierte Politik und Germanistik. 1976 bis 1982
Lehrbeauftragte an der Universität Frankfurt und an der Universität Kassel. 1988
Übersiedlung nach New York. Visiting Scholar an der Columbia University. Lebt seit
2000 als freie Schriftstellerin in Berlin und New York. Publikationen: Schülerprotest in der Bundesrepublik Deutschland (1984); Sadomasochisten, Keusche und Romantiker. Vom Mythos der Neuen Sinnlichkeit (1986); Der arme Teufel. Robert Reitzel - Vom Vormärz zum Haymarket (1986); Anarchist - Left, Right, and Green (1994); Schwarzer Zorn und weisse Angst - Reisen durch Afro-Amerika (1996); Keine Ruhe nach dem Sturm (2001)
Helmut Dahmer, geboren 1937, studierte Soziologie und Philosophie bei Helmuth Plessner, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. 1968-1992 redigierte er die psychoanalytische Monatszeitschrift PSYCHE. 1984 gehörte er zum Gründungsbeirat des Hamburger Instituts für Sozialforschung. 1974-2002 lehrte er Soziologie an der technischen Universität Darmstadt. Seit 2002 lebt er als freier Publizist in Wien. Publikationen: Libido und Gesellschaft (1973, 1982); Pseudonatur und Kritik (1994); Soziologie nach einem barbarischen Jahrhundert (2001); Divergenzen (2009); Die unnatürliche Wissenschaft (2012); Interventionen (2012)
Walter Fanta, Autor, Literaturwissenschafter, Historiker. Lehrtätigkeit an der Universität Klagenfurt, Mitarbeiter am Robert-Musil-Institut für Literaturforschung in Klagenfurt. Herausgeber der Kommentierten digitalen Gesamtausgabe Robert Musil. Weitere Publikationen: Die Entstehungsgeschichte des "Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil (2002); "Stehst mitten drin im Land". Das europäische Kameradschaftstreffen auf dem Kärntner Ulrichsberg von den Anfängen bis heute (gemeinsam mit Valentin Sima, 2003); Materialien zu Engelbert Obernosterer. Fährten, Stimmen, Texte (gemeinsam mit Katharina Herzmansky und David Pölzl, 2008), Puschnig (Roman, 2011)
Sama Maani, geboren in Graz, Studium der Medizin in Wien und der Philosophie in Zürich, Lebt als Autor und Psychoanalytiker in Wien. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien. 2004 Preis des Literaturwettbewerbs schreiben zwischen den kulturen. 2008 österreichisches Staatsstipendium für das Romanprojekt Ungläubig (erschienen 2014 bei Drava), Im März 2015 erscheint: Respektverweigerung. Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten - und die eigene auch nicht.
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