Sonntag, 17. Februar 2019

Zizek in Teheran 175


Karl Abrahamm, einer der sich in der Theorie auskannte ...
Genau das
Daß der
Intelligente
Verrückte
Verfasser der Schrift
Gott
Sich
Und die Welt
Auf eine Weise behandelte, die für die Islamischen äußerst verstörend sein müßte
(Falls ich es tatsächlich so gesagt haben sollte)
Interessierte den Danesch also sehr.
Er wollte die Schrift auf der Stelle lesen.

Ich sagte
Daß der Übersetzer die Schrift nicht aus der Hand geben würde
Weder das Original
Auf Deutsch
Noch die Passagen
Die er schon in die Sprache Teherans
Übersetzt hatte.
Daß er aber
Bei unseren Spaziergängen im Wald
Des Gefängnisareals
Mehrere Passagen der Schrift
Rezitiert hätte
Damit ich sie auswendig lernte
Um sie
Als Patient auf der Couch
Jenem aus Teheran gebürtigen
Analytiker
Wohnhaft in Graz
(Von dem der Übersetzer annahm
Er käme bald nach Teheran zurück
Oder wäre schon in Teheran)
Vortragen sollte
Was ich auch tat
Nämlich das Auswendiglernen.
Und das Vortragen
Als Patient auf der Couch?
Ebenfalls.
Oder?

Warum der Übersetzer die Schrift nicht aus der Hand geben wollte
(Und will)
Sollte klar sein.
Er meinte, daß sie den Glauben
Der Islamischen
erschüttern würde.
Er würde
Besser gesagt
Den Glauben
Der Islamischen
Durch einen anderen
Neuen
Glauben
Zerstören.
                                   
Sollte das Regime erfahren
Daß die Schrift eine Übersetzung
Und der Übersetzer der Übersetzer dieser Übersetzung ist
Würde es
So der Übersetzer
Ihn daran hindern
Die Übersetzung fertigzustellen.
Entweder
Indem es ihm
Das deutsche Original entzöge.
Oder ihn sonstwie an ihrer Übersetzung hinderte.
Oder ihn tötete.

Warum er wollte
Daß ich jene Passagen der Schrift
Auswendig lerne
Und sie dem Analytiker
Als Patient auf der Couch
Vortrage?
Ich weiß
Daß der Übersetzer sich wünschte
Daß der Analytiker die Schrift lektoriert
Weil die Schrift mit Psychoanalyse zu tun hat.
Was die Schrift mit Psychoanalyse zu tun hat
Weiß ich nicht
Oder ich wußte es
Und weiß es nicht mehr zu sagen.
Der Übersetzer wollte also
Daß der Analytiker die Schrift lektoriert.
Wollte aber

Zum einen:
Sicher gehen
Daß der Analytiker
Was die Theorie der Psychoanalyse betrifft
Über genügend Kompetenzen verfügt
Weil er meinte
Daß das Lektorieren der Übersetzung der Schrift
Besondere Kompetenzen in der Theorie der Psychoanalyse
Voraussetzen würde
Und daß die meisten Analytiker
Er nannte sie
Banalytiker
Keine Ahnung von der Theorie hätten.

(Wie er das wissen kann
Ist mir nicht klar
Weil er doch behauptet
Daß es in Teheran
Vor der Revolution drei
Seither aber nur eine einzige
Praktizierende Analytikerin gäbe
Respektive gegeben habe.
Letztere hätte
Ein Buch auf Englisch geschrieben
Psychoanalyse auf Teheranisch
À la Scheidung auf Italienisch
Und
Eine Zeit lang
In den Vereinigten Staaten Amerikas
Bekanntheit erlangt.)

Zum anderen:
Obwohl er den Analytiker (angeblich) in Graz kennen- und schätzen gelernt hat
Könnte er
Meinte er
Ein Agent der Islamischen Republik sein
Als jemand, der Einblick in  
Die Aktivitäten der islamischen Geheimdienste hat
Muß ich ihm Recht geben.
Unmittelbar nach ihrer Ankunft am Flughafen
Werden viele
Aus dem Exil Zurückgekehrte
Durch Drohung
Oder Bestechung
Oder durch beides
Gezwungen
Respektive verführt
Mit einem der Geheimdienste der Islamischen Republik zu kooperieren.

Hinzukommt:
Daß in Teheran
Zahlreiche PsychotherapeutInnen
Im Dienste des Regimes stehen.
Und den Auftrag haben
Ihre KlientInnen
Auszuhorchen
So wie es in England
In jenen Kaffeehäusern des 17. Jahrhunderts der Fall war
(Ja, LeserIn, die Engländer waren
Bevor sie teesüchtig wurden
Kaffeesüchtig)
Die von Cromwells Spionen
Betrieben wurden
Um die BürgerInnen auszuhorchen

Das weiß ich natürlich alles
– Eh scho wissen –
Vom Danesch.
Also zurück zum Danesch
Und seinem Wunsch
Die Schrift auf der Stelle zu lesen
Ich sagte also
Daß der Übersetzer die Schrift
Nicht aus der Hand geben würde
Trug ihm aber jene Passagen der Schrift vor
Die ich auswendig kannte.

Seltsam
Ich weiß doch
Daß ich beim Analytiker war
Und auch ihm
Jene Passagen der Schrift
Als Patient auf der Couch
Vorgetragen habe.
Dann kommt es mir wieder vor
Als hätte ich den Analytiker nie gesehen.
Als sei er ein Hirngespinst
Nicht nur des Übersetzers
Sondern auch meines.
Die Erinnerung an das
Auf-der-Couch-Liegen
Beim Analytiker
Und das Aufsagen der Passagen
Der Schrift
Kommen mir vor
Wie die Erinnerung
An einen Traum.
   
Zurück zu Danesch.
Nach einer Mittwochsrunde
(Die anderen hatten uns schon verlassen)
Saßen Danesch und ich
Allein
An unsrem Stammtisch
In der Cafeteria des Flughafens
Da trug ich ihm mehrere
Auswendig gelernte
Passagen der Schrift vor.
Bei den ersten drei Passagen
Zeigte sich Danesch auf eine seltsame Art
Nachdenklich
Bei der vierten flippte er aus
Oder wäre er
Wäre er nicht
Der souveräne, gelassene Danesch.
Als ich die vierte
Passage
Aufsagte
Wirkte er angespannt
Und erregt
Versuchte aber seine Anspannung zu verbergen.

Ich erinnere mich des Zeitpunktes noch genau; er fiel zusammen mit einer Anzahl schöner Spätherbsttage, an denen Morgens jedesmal starke Nebelbildung stattfand. In dieser Zeit traten

die Zeichen der Verweiblichung

an meinem Körper so stark hervor, daß ich mich der Erkenntnis des immanenten Zieles, auf welches die ganze Entwicklung hinstrebte, nicht länger entziehen konnte. In den unmittelbar vorausgegangenen Nächten wäre es vielleicht, wenn ich nicht noch der Regung männlichen Ehrgefühls folgend, meinen entschiedenen Willen entgegensetzen zu sollen geglaubt hätte, zu einer wirklichen Einziehung des männlichen Geschlechtsteils gekommen; so nahe war das betreffende Wunder der Vollendung. Jedenfalls war die Seelenwollust so stark geworden, daß ich selbst zunächst am Arm und an den Händen, später an den Beinen am Busen am Gesäß und an allen anderen Körperteilen

den Eindruck eines weiblichen Körpers empfing.

Einige Tage fortgesetzter Beobachtung dieser Vorgänge genügten, um eine völlige Veränderung der Willensrichtung in mir herbeizuführen. Nunmehr wurde mir unzweifelhaft bewußt,

daß die Weltordnung, die Entmannung gebieterisch verlange,

mochte sie mir persönlich zusagen oder nicht und daß mir daher aus Vernunftgründen gar nichts Anderes übrig bleibe,

als mich mit dem Gedanken der Verwandlung in ein Weib zu befreunden.

Als weitere Folge der Entmannung konnte natürlich nur

die Befruchtung durch Göttliche Strahlen zum Zwecke der Erschaffung neuer Menschen in Betracht kommen.

wird fortgesetzt

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