Teheran, Juni 2009 |
In dieser Sicht wäre das Projekt der Biokosmisten, die Toten zum
Leben zu erwecken, Ausdruck ihres Wunsches, sich
vor deren Rache zu schützen: Die
Biokosmisten beschworen die Geister der Vergangenheit, weil sie sich von ihnen
heimgesucht fühlten - wie Abergläubische von Wiedergängern. Oder Traumatisierte
von flash backs.
*
Wie Erinnerung und Halluzination sind flash backs das Ergebnis einer
Regression im Wachzustand. Ein
Auslöser, der den Betroffenen an sein Trauma erinnert, führt zu einer blitzartigen
Vergegenwärtigung des traumatischen Ereignisses. Der Traumatisierte hat den
Eindruck, das Ereignis wieder zu erleben. Flash backs haben einen starken,
einem Film ähnlichen Realitätscharakter, somit einen Zwischenstatus zwischen
Erinnerung und Halluzination.
Es liegt nahe der Ideenwelt der Biokosmisten, denen es um die Traumata der Vergangenheit zu tun war – und
nicht um deren Glanz – einen dritten Typus revolutionärer Regressionen zuzuordnen:
Die Regression vom Typus flash back.
Allerdings sollten wir uns fragen, ob dieser Rekurs auf das Trauma tatsächlich nur
ein Spezifikum der revolutionären Regression in Russland darstellt. Und ob nicht
der Schein, daß es im Falle anderer Revolutionen immer um die Wiedergeburt
einer glorreichen Vergangenheit ging (und geht), nicht vielleicht trügt.
Zum Beispiel im Fall des Irans. Es gehört zu den Gemeinplätzen in
Analysen der Revolution von 1979, daß diese, und die anti-amerikanischen
Ressentiments, die sie wachrief, in einem engen Zusammenhang mit einer
historischen Wunde stünde: Der Sturz
des demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh 1953, bei dem
der CIA eine maßgebliche Rolle gespielt haben dürfte.
2009 erlebte der Iran dann eine weitere, die sogenannte „grüne“ Revolution,
ausgelöst durch gefälschte Präsidentschaftswahlen. Eine Protestbewegung, die
die Islamische Republik erschütterte, deren Parolen aber den Parolen der islamischen
Revolution von 1979 nachempfunden waren. Oder sie schlicht wiederholten.
Mussavi, der symbolische Führer der Bewegung, schwärmte gar vom „Goldenen
Zeitalter Imam Khomeynis“. Bei genauerer Betrachtung erscheint die Reinszenierung
der 1979er Revolution durch die „Grünen“ jedoch als Vergegenwärtigung eines Traumas1: So wiesen deren Vertreter
bei Kontroversen über ihre Strategie der strikten Gewaltlosigkeit immer wieder
auf ihre Angst vor der Wiederholung des
Traumas von 1979 – vor der Wiederholung also der islamischen Revolution und
ihrer Folgen - hin.
Aber die islamische Revolution, und islamistische Bewegungen wie der Islamische Staat, können auch auf einer grundsätzlicheren Ebene unter
dem Aspekt „flash back“ betrachtet werden. Dann nämlich, wenn wir ihre Sehnsucht
nach der Rückkehr zum „Goldenen Zeitalter“ des frühen Islams als Folgeerscheinung begreifen. Folgeerscheinung
eines flash backs: Der blitzartig einsetzenden Erinnerung an jenen traumatischen
Moment, in dem der islamischen Welt endgültig klar wurde, daß sie dem ungläubigen
Europa zivilisatorisch und militärisch hoffnungslos unterlegen - daß ihre Zeit des
Siegens und Herrschens über die Ungläubigen vorbei ist.
Persien erlebte diesen Moment 1810, als es im dritten von
insgesamt vier Russisch-Persischen Kriegen (zwischen 1722 und 1828) den Russen den
Heiligen Krieg erklärte, und diesen - so wie die drei anderen Kriege -, dank der strategischen und technischen
Überlegenheit der Ungläubigen, verlor.
wird
fortgesetzt
1Siehe auch meinen
Artikel „Emma und die Revolution im Iran“:
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