Donnerstag, 16. Oktober 2014

Warum wir immer dümmer werden (12)


Teheran, Juni 2009

In dieser Sicht wäre das Projekt der Biokosmisten, die Toten zum Leben zu erwecken, Ausdruck ihres Wunsches, sich vor deren Rache zu schützen: Die Biokosmisten beschworen die Geister der Vergangenheit, weil sie sich von ihnen heimgesucht fühlten - wie Abergläubische von Wiedergängern. Oder Traumatisierte von flash backs.

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Wie Erinnerung und Halluzination sind flash backs das Ergebnis einer Regression im Wachzustand. Ein Auslöser, der den Betroffenen an sein Trauma erinnert, führt zu einer blitzartigen Vergegenwärtigung des traumatischen Ereignisses. Der Traumatisierte hat den Eindruck, das Ereignis wieder zu erleben. Flash backs haben einen starken, einem Film ähnlichen Realitätscharakter, somit einen Zwischenstatus zwischen Erinnerung und Halluzination.

Es liegt nahe der Ideenwelt der Biokosmisten, denen es um die Traumata der Vergangenheit zu tun war – und nicht um deren Glanz – einen dritten Typus revolutionärer Regressionen zuzuordnen: Die Regression vom Typus flash back.

Allerdings sollten wir uns fragen, ob dieser Rekurs auf das Trauma tatsächlich nur ein Spezifikum der revolutionären Regression in Russland darstellt. Und ob nicht der Schein, daß es im Falle anderer Revolutionen immer um die Wiedergeburt einer glorreichen Vergangenheit ging (und geht), nicht vielleicht trügt.

Zum Beispiel im Fall des Irans. Es gehört zu den Gemeinplätzen in Analysen der Revolution von 1979, daß diese, und die anti-amerikanischen Ressentiments, die sie wachrief, in einem engen Zusammenhang mit einer historischen Wunde stünde: Der Sturz des demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh 1953, bei dem der CIA eine maßgebliche Rolle gespielt haben dürfte.

2009 erlebte der Iran dann eine weitere, die sogenannte „grüne“ Revolution, ausgelöst durch gefälschte Präsidentschaftswahlen. Eine Protestbewegung, die die Islamische Republik erschütterte, deren Parolen aber den Parolen der islamischen Revolution von 1979 nachempfunden waren. Oder sie schlicht wiederholten. Mussavi, der symbolische Führer der Bewegung, schwärmte gar vom „Goldenen Zeitalter Imam Khomeynis“. Bei genauerer Betrachtung erscheint die Reinszenierung der 1979er Revolution durch die „Grünen“ jedoch als Vergegenwärtigung eines Traumas1: So wiesen deren Vertreter bei Kontroversen über ihre Strategie der strikten Gewaltlosigkeit immer wieder auf ihre Angst vor der Wiederholung des Traumas von 1979 – vor der Wiederholung also der islamischen Revolution und ihrer Folgen - hin.

Aber die islamische Revolution, und islamistische Bewegungen wie der Islamische Staat, können auch auf einer grundsätzlicheren Ebene unter dem Aspekt „flash back“ betrachtet werden. Dann nämlich, wenn wir ihre Sehnsucht nach der Rückkehr zum „Goldenen Zeitalter“ des frühen Islams als Folgeerscheinung begreifen. Folgeerscheinung eines flash backs: Der blitzartig einsetzenden Erinnerung an jenen traumatischen Moment, in dem der islamischen Welt endgültig klar wurde, daß sie dem ungläubigen Europa zivilisatorisch und militärisch hoffnungslos unterlegen - daß ihre Zeit des Siegens und Herrschens über die Ungläubigen vorbei ist.

Persien erlebte diesen Moment 1810, als es im dritten von insgesamt vier Russisch-Persischen Kriegen (zwischen 1722 und 1828) den Russen den Heiligen Krieg erklärte, und diesen - so wie die drei anderen Kriege -, dank der strategischen und technischen Überlegenheit der Ungläubigen, verlor.


wird fortgesetzt

1Siehe auch meinen Artikel „Emma und die Revolution im Iran“:

http://samamaani.blogspot.co.at/2010/06/emma-und-die-iranische-revolution.html

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