Konstantin Ziolkovski - fast tauber Vater der sowjetischen Raumfahrt |
Als sich jedoch Khomeyni an die Spitze der revolutionären Bewegung
setzte, sprengte der Rekurs zum Islam den Rahmen des Symbolischen, er wurde real.
Halluzination statt Erinnerung.
Und die Oktoberrevolution? Ausgerechnet diese, ihrem Selbstverständnis
nach marxistische Revolution, scheint ganz ohne den - nach Marx für
Revolutionen charakteristischen - Rekurs auf vergangene Epochen ausgekommen zu
sein. Man könnte hier allenfalls Lenins weltanschauliche Verankerung in den Ideen
der Narodniki anführen, Vertreter
einer literarischen und sozialrevolutionären Bewegung, die aus der Tradition russischer Bauern schöpften, und von
einer Gesellschaft abseits des westlichen Kapitalismus träumten. Aber die Ideen
der Narodniki waren zu Lebzeiten Lenins nicht wirklich tot, und mußten - im
Unterschied zu den historischen Beispielen, von denen bei Marx die Rede ist - nicht
erst wiederbelebt werden.
In den revolutionären Diskursen im Russland des beginnenden 20. Jahrhunderts finden wir allerdings – und zwar abseits von Lenin - ein überraschendes Äquivalent
für die von
Marx beschriebenen revolutionären Rückwendungen zur Vergangenheit. In
Alexander Kluges zehnstündiger „Verfilmung“ des Marxschen Kapitals, Nachrichten
aus der ideologischen Antike, berichtet Boris Groys von den Biokosmisten, einer Gruppe radikaler
russischer Denker, die überzeugt waren, daß der Kommunismus so lange
unvollendet bleiben würde, solange die Revolution nur die Gesellschaft der
Lebenden befreite. Am Ziel sei der Kommunismus erst dann, wenn es der
Wissenschaft gelänge, die Toten wieder
zum Leben zu erwecken. Die Generationen vor uns, die gelitten hätten, ohne
erlöst worden zu sein. Und erst dann, wenn – neben der Abschaffung des
gewöhnlichen Privateigentums – auch das „Privateigentum an (Lebens)zeit“
abgeschafft worden wäre, so daß alle Menschen gleich lang – und zwar unendlich
lang – leben würden, erst dann sei die Geschichte am Ziel.
Die Biokosmisten, die sich konsequenterweise intensiv mit Themen wie Unsterblichkeit
und Verjüngung befassten, übten großen Einfluß auf die frühe sowjetische
Wissenschaft aus - aber auch auf Künstler wie Krassimir Malewitsch. Laut Kluge
arbeiteten zeitweise bis zu 46 Institute der sowjetischen Akademie der
Wissenschaften an der Entwicklung eines Mittels zur Erlangung der
Unsterblichkeit1. 1926 gründete Alexander Bogdanov, ein Jugendfreund
Lenins, das Institut für Bluttransfusion, mit dem Ziel den Alterungsprozess mittels
Blutaustausch zu verzögern, wenn nicht zu verhindern. Ihm selbst kostete eine
Bluttransfusion das Leben. Und die Raketen-forschungen Konstantin Ziolkovskis, der
die zum Leben erweckten Toten – für die es auf der Erde zu wenig Platz geben
würde - auf andere Planeten bringen wollte, machten ihn zum Vater der sowjetischen
Raumfahrt.
wird
fortgesetzt
1http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/buecher_aktuell/46920_Kluge-Alexander-Das-Bohrern-harter-Bretter.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen