Robert Pfaller |
Das Unbehagen am Kapitalismus, das wir weiter oben mit dem Wunsch, an
„das Gute im Islam“ zu glauben, in Verbindung gebracht haben, können wir nun
also – präziser – als das Unbehagen am
Bekenntnisglauben bestimmen.
In seinem Buch „Die Illusionen der anderen“ verweist Robert Pfaller auf
einen für uns interessanten Zusammenhang zwischen der Lustökonomie des
Bekenntnisglaubens und Phänomenen wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Die
dem Bekenntnis immanente asketische Versagung erzeuge zwar eine eigentümliche Lust an der asketischen Unlust. Diese
Lust sei aber - weil unbewußt - nicht
erfahrbar. Bekenntnisgläubige müßten
daher „das eigene ‚Glück’ nach außen projizieren, es [...] bei anderen Leuten –
vorzugsweise Fremden [ansiedeln], die dafür gehaßt
und beneidet werden.“ (Hervorhebung von mir).“1
Die Phantasien des Rassisten kreisen stets um das Verhältnis des Fremden
zum Genießen – und zum Verzicht.2
So war der Jude für den Nationalsozialisten3
entweder der soziale Parasit, der auf Kosten des „Wirtsvolkes“ (sprich: des
deutschen Steuerzahlers) lebte, also genoß ohne
zu verzichten - und dabei dem Deutschen den Genuß stahl. Oder er war, umgekehrt,
der asketische Geizhals, der auf das Genießen verzichtete, sich raffgierig und erbarmungslos
zum Kapitalisten hinaufarbeitete, um den Deutschen auszubeuten - und ihn so
wiederum um seinen Genuß zu bringen.
Daß der Wunsch jener weltoffenen Zeitgenossen, „den Islam“ zu
respektieren, derselben unbewußten libidinösen Logik folgen soll wie
rassistische Ressentiments, mag verwundern. Versteht sich doch der weltoffene, „den
Islam“ respektierende Zeitgenosse als deklarierter Gegner rassistischer Hetze gegen Migranten aus Ländern mit
islamischer Bevölkerungsmehrheit – einer Hetze, die er „Islamophobie“4
nennt.
Um allerdings zwischen der Position jener Zeitgenossen, die „den Islam“ (zu)
respektieren (wünschen) und der - ihr scheinbar entgegengesetzten – Position
des Rassisten, der gegen Migranten aus islamisch geprägten Ländern hetzt, eine
Verwandtschaft zu erkennen, müssen wir nicht in die Untiefen psychoanalytischer
Libidotheorie hinuntertauchen. Ein wenig Kratzen an der Diskursoberfläche
genügt.
Der weltoffene, „den Islam“ respektierende Zeitgenosse bezeichnet den
Rassismus von Pegida, FPÖ und Co. zu recht als Rassismus. Darin, daß er diesen
Rassismus Islamophobie nennt – oder Islamfeinschaft – drückt sich aber,
unbemerkt, eine zutiefst rassistische Position aus: Die Feindschaft gegen den –
oder die Angst vor dem - Islam als „rassistisch“ zu bezeichnen, macht nur dann
Sinn, wenn wir zwischen der (imaginären) Kategorie „Rasse“ und dem Bekenntnis
zum Islam einen unauflöslichen Zusammenhang behaupten würden. „Rassistisch“
könnte „Islamophobie“ nur dann sein, wenn wir „den Islam“ zur unauflöslichen,
quasi „rassischen“ Eigenschaft von Türken, Arabern oder Iranern erklären.
wird
fortgesetzt
1 Robert Pfaller, Die Illusionen der anderen, Frankfurt a.M. 2002, S. 236
2 Siehe auch: Slavoj Zizek, Mehr-Genießen,
Wien 2000, S. 92
3 Antisemitismus ist natürlich, wie
Detlev Claussen richtig feststellt, nicht bloß „eine Unterabteilung des
Rassismus“ (siehe: http://www.zag-berlin.de/antirassismus/archiv/39claussen.html).
Die Libidoökonomie des Rassisten und des Antisemiten sind allerdings
strukturanalog.
4 Zur Kritik des Begriffs „Islamophobie“
siehe auch: Mit dem Begriff Islamophobie
gehen wir den Rassisten auf den Leim, Interview mit Sama Maani, MALMOE, 12.
Mai 2015
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