Donnerstag, 2. Juli 2015

Tolerieren, Respektieren, Glauben. Warum wir glauben - und es nicht wissen (11)



Die Feindschaft gegen den – oder die Angst vor dem - Islam als „rassistisch“ zu bezeichnen, macht nur dann Sinn, wenn wir zwischen der (imaginären) Kategorie „Rasse“ und dem Bekenntnis zum Islam einen unauflöslichen Zusammenhang behaupten würden. „Rassistisch“ könnte „Islamophobie“ nur dann sein, wenn wir „den Islam“ zur unauflöslichen, quasi „rassischen“ Eigenschaft von Türken, Arabern oder Iranern erklären.

Statt also die rassistische falsche Verknüpfung zwischen Herkunft und Bekenntnis mit Entschiedenheit zurückzuweisen, bleibt der weltoffene, „den Islam“ respektierende Zeitgenosse bei den Vorgaben der Rassisten. Darin, daß Menschen in erster Linie „ihre“ Religion, resp. „ihre“ Kultur repräsentieren – und dann lange nichts –, ist sich der weltoffene, „den Islam“ respektierende Zeitgenosse mit den (Kultur-)Rassisten von Pegida, FPÖ und Co. also einig.

So etwas wie ein Widerspruch zwischen dem Einzelnen und „seiner“ Kultur darf für den weltoffenen, „den Islam“ respektierenden Zeitgenossen nur und nur zwischen ihm selbst und „seiner eigenen“, „westlichen“ Kultur existieren. Und in eben diesem Unbehagen an „seiner eigenen“ Kultur – genauer: in eben diesem Unbehagen an seinem Bekenntnisglauben - gründet ja sein Wunsch, „den Islam“ zu respektieren. Und sein geheimer Neid auf „den Moslem“. Tatsächlichen oder vermeintlichen Moslems hingegen steht Unbehagen an „ihrer“ Kultur nicht zu.

Die Verwendung von Begriffen wie „Islamophobie“, die den Rassisten von FPÖ, Pegida, und Co. in die Hände spielen, statt sie zu bekämpfen, resultieren aber nicht bloß aus Denkfehlern jener weltoffenen, den Islam respektierenden Zeitgenossen - womit wir wieder bei jenen Untiefen psychoanalytischer Libidotheorie angelangt wären, die wir gerade verlassen haben.

Die Identifikation des Bekenntnis- oder Identifizierungsgläubigen mit asketischen Idealen in Arbeit, Freizeit, Sexualität, Politik etc. geht auf Kosten der Lust „im Sinne von Lebensfreude“. Und des Glücks. Glück aber, und Lust, existiert in der narzißtischen Logik des Identifizierungsglaubens einzig - in der Identifizierung. Auf sein Unglück reagiert der Identifizierungssüchtige mit more of the same. Ganz so wie der junkie, der seine drogeninduzierte Verzweiflung durch noch mehr Drogen zu heilen versucht, sucht der glücklose Bekenntnisgläubige sein Glück in noch mehr narzißtischer Gratifikation - die er aus noch stärkerer Identifizierung mit seinen asketischen Idealen zu beziehen versucht. Am Ende ist er mit seinem Unglück gänzlich identifiziert.

Um ihn - um dessen vermeintliches Glück - beneiden zu können, wendet der bekenntnisgläubige, den Islam respektierende Zeitgenosse diese Logik des more of the same auch auf den „moslemischen Anderen“ an: Je unglücklicher sein eigener Identifizierungsglauben ihn macht, umso vollständiger identifiziert er „den Moslem“ mit „dem Islam“ – um dann jenem vollständig Identifizierten (mehr oder weniger unbewußt) Glück, Lust, die Teilhabe an der heilen Welt zuzuschreiben. Vollen Genuß bei voller Identität.1

Indem er jedoch den - tatsächlichen oder vermeintlichen - Moslem in der vollen Identität mit dem Islam aufgehen läßt, eliminiert er ihn als eigenständiges, von „seiner“ Kultur unterschiedenes Subjekt aus den politischen und gesellschaftlichen Debatten.

wird fortgesetzt

1 Ich verdanke den Begriff „volle Identität“ der Philosophin Isolde Charim. Sie weist nach, daß es sich beim Ressentiment gegen Moslems nicht, wie vielfach behauptet, um eine Art „neuen Antisemitismus“ handelt. Während der Antisemit „dem Juden“ vorwirft, kein „echter Österreicher/Deutscher“ zu sein, schreibt der Rechtsextreme „dem Moslem“, ganz im Gegenteil, „volle Identität“ zu - und beneidet ihn insgeheim dafür. Vgl.: Isolde Charim, Volle Identität gegen nicht-volle. In R. Just, G.R. Schor (Hrsg.), Vorboten der Barbarei, Hamburg 2011, S. 11-16

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