Mittwoch, 22. Juli 2015

Warum (manche) Linke über den Islam nicht reden können (6)



Im Islam-Diskurs des linken mainstreams gibt es also Unverstandenes. Diesem Unverstandenen habe ich mich im Interview (und in meinem neuen Buch) zu nähern versucht. Nicht zuletzt aus der Überlegung heraus, daß die Erkenntnis ihrer blinden Flecken in Sachen „Islam“ die Linke befähigen könnte, die neuen rassistischen Hetzer wirksam zu bekämpfen, statt ihnen immer wieder auf den Leim zu gehen. Bei der Analyse der Positionen des linken mainstreams in der Islam-Debatte (etwa bei der Analyse der Formel: „Die Ablehnung des Islam = rassistisch) geht es daher um alles andere als um die „‚Das wird man doch noch sagen dürfen’-Freiheit“, wie es im Kommentar heißt. Und selbstverständlich nicht darum, das Selbstverständliche zu leugnen. Also zu leugnen, daß der rechte Diskurs „kaum etwas so ausdauernd [...] beklagt [...] wie ‚Parallelgesellschaften’ und ‚islamische Integrationsverweigerer’“. Sondern darum, zu verstehen, wie es dazu kommt, daß in Reaktion auf jenen rassistischen, ständig über „Parallelgesellschaften“ und „islamische Integrationsverweigerer“ klagenden Diskurs - der Diskurs des linken mainstreams die Ablehnung eines Glaubenssystems als Rassismus auffaßt. Denn das bloße Zurückweisen der Formel „Die Ablehnung des Islam = Rassismus“ als Unsinn vermag weder ihre Entstehung noch ihre Wirkmächtigkeit zu erklären.

Da aber die Kommentatorin davor zurückschreckt, ihre „Volle-Identitäts-Brille“, sei es auch nur probeweise, abzunehmen, sieht sie auch die Kritik am Gedanken der vollen Identität durch die Brille der vollen Identität. Weil sie also nicht zu sehen vermag, daß es diese ihre Brille ist, die jene volle Identität zwischen dem „Islam“ und vermeintlichen oder tatsächlichen Moslems erst herstellt (Stichwort: „Muslimness“), muß sie schon den Hinweis auf die – an sich triviale - Tatsache, daß es sich beim „Islam“ um ein Bekenntnis handelt, und daß ein Bekenntnis Anerkennung, aber auch Ablehnung hervorrufen kann, unweigerlich mit dem Gedanken an die Ablehnung jener Menschen verknüpfen, die als vermeintliche oder tatsächliche Moslems Objekte rassistischer Ressentiments sind. Und mit der Klage jener Hetzer von FPÖ, Pegida und Co. über das angebliche Fehlen jener ‚Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen’-Freiheit.

Sie übersieht dabei, oder sie unterschlägt, daß eben dieser rechte Diskurs und ihre zentralen Begriffe („Parallelgesellschaften“, „unsere Kultur“, „fremde Kultur“, „Leitkultur“, „Integration“ etc.) in meinem, im Interview vorgestellten Buch einer radikalen Kritik unterzogen werden. Und daß ich zu zeigen versuche, daß es nicht zuletzt mit dem Versagen jenes (den Voraussetzungen seines eigenen Diskurses gegenüber blinden) linksliberalen mainstreams zu tun hat, daß es den Rechten in den letzten Jahren gelungen ist, bis tief in die politische Mitte hinein die Diskurshoheit zu erobern.

Da sie ihre „Volle-Identitäts-Brille“ also weder wahr- noch abnehmen will, muß die Kommentatorin immer wieder Offensichtliches leugnen. Etwa dort, wo sie schreibt, daß IslamkritikerInnen „allein deshalb kritisiert [werden], weil sie immer wieder rechtsreaktionäre Positionen vertreten und sich dabei auch zu absolut skandalösen Aussagen versteigen.“ Daß skandalöse rassistische Aussagen, natürlich auch dann, wenn sie von IslamkritikerInnen stammen (so etwa Necla Keleks Behauptung, moslemische Männer seien „generell triebgesteuert“ und würden es „notfalls auch mit Tieren treiben“), auf das Schärfste zu verurteilen sind, versteht sich von selbst. IslamkritikerInnen sind genauso wenig sakrosankt wie der Islam. Aber die Frage der InterviewerInnen – auch das unterschlägt die Kommentatorin - bezog sich auf etwas anderes. Sie wollten wissen, warum IslamkritikerInnen, die „biographisch selbst eine Geschichte mit dem Islam haben, von linker und liberaler Seite“ mitunter „ein geradezu irrationaler Haß“ entgegenschlägt. In meiner Antwort ging es folglich um die Analyse einer spezifischen Reaktion auf eine spezifische Gruppe von „IslamkritikerInnen“ - nicht um die Frage, warum IslamkritikerInnen generell kritisiert werden.

Daß solche Reaktionen „von linker und liberaler Seite“ auf jene IslamkritikerInnen, die „biographisch selbst eine Geschichte mit dem Islam haben“, existieren, weiß ich aus jahrelanger eigener Erfahrung. Ich habe zwar „biographisch“ keine „Geschichte mit dem Islam“, und sehe mich auch nicht als „Islamkritiker“ (wenn ich über den Islam schreibe, geht es mir vor allem darum, was „uns“ - in Europa – „unsere“ Position zum „Islam“ über „uns selbst“ sagen könnte), ich bin aber als Iraner für die neuen Rassisten ein „optischer Moslem“. Von linker und liberaler Seite wiederum begegne ich jenem „geradezu irrationalen Haß“ vor allem dann, wenn ich mich beim öffentlichen Nachdenken über Probleme in islamisch geprägten Gesellschaften unter anderem auch auf den „Islam“ – und nicht bloß auf die bequeme Ausweichformel „Islamismus“ –  beziehe. Daß  nicht alle Linken und Liberalen, denen ich bei solchen Gelegenheiten begegne, auf diese meine Überlegungen mit „irrationalem Haß“ reagieren, versteht sich von selbst.

Von meinen persönlichen Erfahrungen abgesehen, hält die Behauptung, IslamkritikerInnen, die (so die InterviewerInnen) „biographisch selbst eine Geschichte mit dem Islam haben“, würden (so die Kommentatorin) „allein deshalb kritisiert, weil sie immer wieder rechtsreaktionäre Positionen vertreten“, auch der oberflächlichsten Überprüfung nicht stand. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Was immer man Mina Ahadi, iranische Kommunistin und Zentralfigur der deutschen Ex-Muslime, vorwerfen mag, rechtsreaktionäre Positionen hat sie niemals vertreten. Dennoch wird sie von linksliberaler Seite immer wieder kritisiert, und als „Hysterikerin“, der ihre persönliche Betroffenheit ein angemessenes Reden über den Islam verunmöglichen würde, verunglimpft. Auch der im Interview erwähnte Hamed Abdel-Samad ist nie durch rassistische Aussagen aufgefallen. Dennoch wird auch er von linken und liberalen Kritikern regelmäßig, und mitunter vernichtend, kritisiert (etwa von Joseph Croitoru oder Michael Lüders). Und besagte Necla Kelek wurde nachweislich auch vor 2010, dem Jahr, in dem sie jene skandalöse, rassistische Aussage tätigte, von linksliberaler Seite kritisiert. Gleiches gilt für Ayaan Hirsi Ali und ihre – nicht minder skandalöse – Aussage über Anders Breiviks Manifest. Auch sie war lange vor dieser Aussage Objekt linker und liberaler Kritik.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Selbstverständlich ist nicht jede Aussage einer IslamkritikerIn (auch dann wenn es sich nicht um rechtsreaktionäre oder rassistische Aussagen handelt) „richtig“. Und selbstverständlich haben (linke, liberale und sonstige) KritikerInnen von IslamkritikerInnen nicht immer unrecht. Die Aussage, Islamkritiker würden „allein deshalb“ kritisiert, weil sie immer wieder rechtsreaktionäre Positionen vertreten, ist aber offensichtlich falsch. Und zeigt eindrücklich, wie falsches Bewußtsein, um als wahres zu erscheinen, immer wieder gezwungen ist, die Realität abzuschaffen.

Ende

Keine Kommentare: