Mittwoch, 22. Juli 2015

Warum (manche) Linke über den Islam nicht reden können (5)



In der Islamischen Republik Iran sind bekanntlich „Islamisten“ an der Macht. Dem iranischen Rechtssystem liegt seit dem Sieg der „islamistisch inspirierten“ islamischen Revolution von 1979 die Scharia zugrunde. Die Scharia, auf der das iranische Recht gründet, ist nun aber – da eine „islamistische“ Scharia nicht existiert - keine „islamistische“. Sondern die „normale“, traditionelle islamische. 

Auf der Grundlage dieser islamischen - nicht islamistischen - Scharia werden nach offiziellen Angaben der Islamischen Republik Iran jährlich zehntausende Mädchen zwischen zehn und vierzehn Jahren – immer wieder auch Mädchen unter zehn Jahren - verheiratet. Auch zahllose andere gesetzlich festgeschriebene Menschrechtsverletzungen (Todesstrafen für Apostaten und Homosexuellen, Steinigung von „Ehebrecherinnen“ etc. etc.) haben ihre Grundlage in der islamischen Scharia.

Dieses allzu Sichtbare zu sehen - daran hindert die Kommentatorin ein Unsichtbares: Daß sie nicht durchschaut, daß ihr eigenes - falsches -Bewußtsein zwischen einem Glaubenssystem und den Menschen, die sich (vermeintlich oder tatsächlich) zu diesem bekennen, keinen Unterschied macht. So muß ihr jede Verurteilung dieses Glaubenssystems als „rassistische“ Verunglimpfung jener Menschen erscheinen. Den offensichtlichen Zusammenhang zwischen Menschenrechtsverletzungen – etwa im Iran – und der islamischen Scharia kann sie weder gelten lassen noch denken. Menschenrechtsverletzungen in islamisch geprägten Gesellschaften sind für sie stets „islamistische“.

Daß der Kommentar - und der Diskurs des linken mainstreams, den er vertritt -, allen Lippenbekenntnissen („Islamkritik muß möglich sein“) zum Trotz, sichtlich davor zurückschrecken, zwischen dem „Islam“ und konkreten Problemen islamisch geprägter Gesellschaften auch nur Berührungspunkte gelten zu lassen (Problematisches schreiben sie, wie gezeigt, ausnahmslos dem „Islamismus“ zu), offenbart ihr tiefes Unvermögen, dem „Islam“ gegenüber eine auch nur annähernd kritische Position einzunehmen. Wer aber die Realität auf so durchschaubare Weise abschafft, schafft zuallererst seine eigene Glaubwürdigkeit ab. Und spielt damit den Rassisten von Pegida und Co. in die Hände - statt sie zu bekämpfen.

Angesichts dieser Selbstdemontage des linken mainstreams in Sachen Religionskritik, können in der Auseinandersetzung mit FPÖ und Co. auch ihre richtigen Argumente ihre Wirkung verfehlen. Etwa jenes, daß Zwangsverheiratung auch „etwas mit europäischer Asylpolitik zu tun hat“ oder, daß „soziale Segregation und Stigmatisierung zu religiöser Radikalisierung beitragen“ kann. Den Rassisten fällt es dann leicht, diese richtigen Hinweise auf die soziale Mitbedingtheit vermeintlicher oder tatsächlicher „religiöser Phänomene“ als Relativierung problematischer Aspekte des „Islam“ zu diffamieren.

Das ist bedauerlich, weil die Erkenntnis, daß Moslems nicht immer als Moslems, also nicht immer „aus ihrem Glauben heraus“, handeln - zu Ende gedacht, die Ideologie der vollen Identität (zwischen real existierenden Subjekten und dem „Islam“) brechen würde. Bevor das geschehen kann, müßten aber mainstream-Linke diese Ideologie, die ihre Positionen in der Islam-Debatte wesentlich mitbestimmt, überhaupt in den Blick bekommen - sie müßten sich also „in Sachen Islam“ selbst verstehen.

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