Der oben beschriebene argumentative Aufwand wäre allerdings gar nicht
nötig gewesen: In der Ideologie der vollen
Identität, der die Kommentatorin und der Diskurs des linken mainstreams
verpflichtet sind, ist Machtkritik ohnehin gegenstandslos. Gehen doch jene Subjekte,
denen Machtkritik zugute kommen soll, in der vollen Identität mit „ihrem“ Muslimness/Muslimsein gänzlich auf, „vergehen“ vor „dem stärkeren Dasein“ des
Islam - werden also als von „ihrer“ Kultur/„ihrer“ Religion unterschiedene
Subjekte aus dem Diskurs eliminiert.
Dem mag die Kommentatorin entgegenhalten, daß sie dies so nicht gemeint
habe. Daß „Muslimness“ eine bloße, zufällig gewählte Zuschreibung sei. Daß man
diese gerne durch „brauchbarere Begriffe“ ersetzen könne. So wie sie sich am
Ende des Kommentars bereit erklärt, „gerne über brauchbare Begriffe“ zu reden (allerdings
erst nach der Machtübernahme jenes - ihrer
religionskritischen Substanz beraubten - „Machtkritik“ im Diskurs).
Begriffe sind für die Kommentatorin offenbar bloße Instrumente des
Diskurses, je nach „Brauchbarkeit“ konstruier-, einsetz- und austauschbar.
Daß unser Denken und unser Handeln von so etwa wie Ideologie geseteuert werden, daß Ideologie als sich selbst intransparentes
falsches Bewußtsein in Begriffen (öffentlicher und privater Diskurse) transportiert
wird. Daß diese Begriffe ihrerseits unser
Daß es am „Islam“ kritikwürdiges gibt, dessen ist sich die Kommentatorin
wohl bewußt („Natürlich muß Islamkritik möglich sein“). Da sie aber zwischen - vermeintlichen
oder tatsächlichen - Moslems und „dem Islam“ genauso wenig zu
unterscheiden vermag, wie zwischen dem „Islam“ als herrschende und
unterdrückende Ideologie in islamisch geprägten Gesellschaften einerseits, und
jenen „bei uns“ lebenden, „von dort“ stammenden Objekten rassistischen
Ressentiments andererseits, wird ihr - in ihrem Bemühen jene (vermeintlichen
oder tatsächlichen) moslemischen Migranten vor dem Rassismus zu schützen – unbemerkt
der „Islam“ selbst zum Schutzobjekt.
Daher muß sie es - ihrer Bekundung „Natürlich muß Islamkritik möglich
sein“ zum Trotz – mit akribischer Sorgfalt
vermeiden, auch nur Berührungspunkte zwischen dem „Islam“ und Problemen islamisch
geprägter Gesellschaften gelten zu lassen. Wie der Diskurs des linken
mainstreams, den sie vertritt, übersetzt auch die Kommentatorin den
hochkomplexen Zusammenhang zwischen dem politischen und dem traditionellen
Islam in die simple Dichotomie:
„Islam = (an
sich) gut“ versus „Islamismus = böse“.
Die „Gefahr“ einem Zusammenhang zwischen dem „Islam“ und einer wie auch
immer gearteten Problematik zu begegnen,
löst bei Vertretern dieses Diskurses großes Unbehagen aus. Wie gut, daß es den
„brauchbaren“ Begriff „Islamismus“ gibt. Man füge dem „Islam“ die fünf -
magischen - Buchstaben „ismus“ hinzu - schon ist das Unbehagen beseitigt.
Das Unbehagen, aber nicht das Problem. Dieses wird im Gegenteil größer. Die
Kommentatorin müßte sich etwa der durchaus absurden Konsequenz stellen, die
sich aus ihrer Etikettierung „patriarchaler Gewalt“ als „islamistisch inspiriert“ ergibt: Hat also
erst das - moderne - Phänomen des politischen Islam islamisch geprägten Gesellschaften
patriarchale Strukturen beschert? Haben demnach patriarchale Strukturen und
patriarchale Gewalt in islamisch geprägten Gesellschaften vor dem 20. Jahrhundert (i.e. vor dem Entstehen des Islamismus) also nicht existiert?
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