Freitag, 29. April 2016

„Obama ist nicht schwarz“ – oder wie es kam, daß die Mormonen 2011 keine Terroristen wurden (6)



„Unsere Ehre wurde mit Füßen getreten. Irans Größe und Ehre ist verloren. Die Größe und Ehre der iranischen Armee ist verloren. Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das allen amerikanischen Militärberatern samt ihren Familien, ihrem technischen Personal und ihren Hausangestellten, welches Verbrechen sie auch immer begehen mögen, Immunität zuspricht. Nun ist das iranische Volk weniger wert als amerikanische Hunde. Wenn jemand einen amerikanischen Hund überfährt, wird er zur Rechenschaft gezogen. Wenn der iranische Kaiser einen amerikanischen Hund überfährt, wird er zur Rechenschaft gezogen. Überfährt ein amerikanischer Koch den Kaiser [...] hat niemand das Recht, zu protestieren. Ich warne vor einer großen Gefahr! [...] Ihr Führer des Islam, der Islam ist in Gefahr. Rettet den Islam!“

Das war eine Passage aus der berühmten Rede Ruhollah Khomeynis, des späteren Führers der islamischen Revolution, am 26. Oktober 1964, in der er die Verabschiedung eines Gesetzes durch das iranische Parlament beklagte, das US-Militärberatern eine Art diplomatische Immunität zusprach - sofern das in Frage stehende Delikt in Ausübung ihres Dienstes begangen wurde.

Noch am selben Tag veröffentlichte Khomeyni ein Kommuniqué, in dem es unter anderem hieß:

„Die Welt soll wissen, daß an allen Problemen des iranischen Volkes und anderer islamischer Völker die Ausländer [sic!] schuld sind - die Ausländer, und die Amerikaner. Das iranische Volk hasst Ausländer im allgemeinen und Amerikaner im besonderen“.

Der Begriff, den Khomeyni weiter oben für jenes Objekt verwendet, dessen Verlust er beklagt bzw. befürchtet, Ezzat, hat einen weiteren Bedeutungsumfang als die deutsche Übersetzung „Ehre“ vermuten läßt. Das Wörterbuch übersetzt Ezzat darüber hinaus mit Ehrfurcht, Achtung, Glorie, Herrlichkeit. Eine Umschreibung, die diesen Bedeutungsumfang in etwa wiedergeben würde, wäre: der - ehrfurchtgebietende - Glanz der Herrschaft oder: der Glanz der den Mächtigen umgibt.

Die Klage des Islamisten Khomeyni ist prototypisch für die Haltung und die Weltsicht aller Islamisten. Es ist die Klage über den Verlust (oder den drohenden Verlust) der Macht und der „Herrlichkeit der Macht“ des Islam. So wie die Identität der „echten Schwarzen“ im Sinne Dickersens auf der Identifizierung mit dem verlorenen Objekt „Würde“ beruht, gründet die Identität des Islamisten auf seiner Identifizierung mit dem verlorenen Objekt „Ehre“ - im Sinne der „Herrlichkeit der Macht“ des Islam. Und es sind die Ungläubigen, der Kolonialismus, der US-Imperialismus, der globale Kapitalismus, die Juden, Israel etc., die diese Ehre - in seinen Augen - mit Füßen getreten haben – und treten.

„Amerika ist schlimmer als England, England ist schlimmer als Amerika, die Sowjetunion ist schlimmer als alle anderen, alle sind schlimmer als alle anderen ... alle unsere Probleme sind von Amerika gemacht, alle unsere Probleme sind von Israel gemacht. Israel gehört zu Amerika.“

sagt Khomeyni an einer anderen Stelle der oben zitierten Rede.

Der Islamist, dem das Objekt „Ehre des Islam“ in der Gegenwart verloren erscheint, und da er mit dem „Islam“ identifiziert ist, seine eigene Ehre - verloren oder beschädigt oder bedroht –, dieser Islamist identifiziert sich nun, in Reaktion auf diesen Verlust, mit dem frühen Islam. Mit jenem vermeintlich goldenen Zeitalter, in dem er die unbeschädigte „Herrlichkeit der Macht“ des Islam noch in Kraft sieht.

Zwischen dem Objekt Ehre und dem Objekt Würde existiert aber ein für unseren Zusammenhang entscheidender Unterschied.

Zwar ist entgegen anderslautender Behauptungen die Würde des Menschen - siehe Amérys Rede vom „Würdeentzug“ – durchaus antastbar. „Würde“ ist also kein vom gesellschaftlichen Außen gänzlich abgekapselter Wert. Dennoch verortet unsere Alltagsintuition „Würde“ – nicht ganz zu unrecht - primär im „Innenraum“ der Subjekte.

Ehre hingegen ist ein gesellschaftlich hergestellter, dem Subjekt von Außen zugeteilter und im gesellschaftlichen Umgang leicht wieder zu zerstörender Wert. Und dementsprechend verletzlich. Die Ehre ist daher auch in modernen Gesellschaften ein rechtlich geschützes, weil zerbrechliches Gut (Ehrverletzungsdelikte). Daß es, andererseits, um die Würde des Menschen zu verletzen, oder sie ihm gar zu entziehen, viel radikalerer Maßbahmen bedarf (siehe oben), scheint der erwähnten Alltagsintuition, welche die Würde des Menschen ungleich fester in seinem Inneren verankert sieht als die Ehre, recht zu geben. Zumal, wenn uns Ehre in der spezifischen Gestalt von Ezzat begegnet: als Glanz, der die Macht umgibt, kann diese Art Ehre ihren Ort natürlich nicht in subjektiver Innerlichkeit haben, setzt sie doch die Herrschaft über real existierende andere in der „handfesten“ äußeren Realität voraus.

wird fortgesetzt

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