„Unsere Ehre wurde mit Füßen getreten. Irans Größe und Ehre ist verloren. Die Größe und Ehre der iranischen Armee ist verloren. Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das allen amerikanischen Militärberatern samt ihren Familien, ihrem technischen Personal und ihren Hausangestellten, welches Verbrechen sie auch immer begehen mögen, Immunität zuspricht. Nun ist das iranische Volk weniger wert als amerikanische Hunde. Wenn jemand einen amerikanischen Hund überfährt, wird er zur Rechenschaft gezogen. Wenn der iranische Kaiser einen amerikanischen Hund überfährt, wird er zur Rechenschaft gezogen. Überfährt ein amerikanischer Koch den Kaiser [...] hat niemand das Recht, zu protestieren. Ich warne vor einer großen Gefahr! [...] Ihr Führer des Islam, der Islam ist in Gefahr. Rettet den Islam!“
Das war eine Passage aus der berühmten Rede Ruhollah Khomeynis, des
späteren Führers der islamischen Revolution, am 26. Oktober 1964, in der er die
Verabschiedung eines Gesetzes durch das iranische Parlament beklagte, das
US-Militärberatern eine Art diplomatische Immunität zusprach - sofern das in
Frage stehende Delikt in Ausübung ihres Dienstes begangen wurde.
Noch am selben Tag veröffentlichte Khomeyni ein Kommuniqué, in dem es
unter anderem hieß:
„Die Welt soll wissen, daß an allen Problemen des iranischen Volkes
und anderer islamischer Völker die Ausländer [sic!] schuld sind - die Ausländer,
und die Amerikaner. Das iranische Volk hasst Ausländer im allgemeinen und
Amerikaner im besonderen“.
Der Begriff, den Khomeyni weiter oben für jenes Objekt verwendet,
dessen Verlust er beklagt bzw. befürchtet, Ezzat,
hat einen weiteren Bedeutungsumfang als die deutsche Übersetzung „Ehre“
vermuten läßt. Das Wörterbuch übersetzt Ezzat
darüber hinaus mit Ehrfurcht, Achtung, Glorie, Herrlichkeit.
Eine Umschreibung, die diesen Bedeutungsumfang in etwa wiedergeben würde, wäre:
der - ehrfurchtgebietende - Glanz
der Herrschaft oder: der Glanz der
den Mächtigen umgibt.
Die Klage des Islamisten Khomeyni ist prototypisch für die Haltung und
die Weltsicht aller Islamisten. Es ist die Klage über den Verlust (oder den
drohenden Verlust) der Macht und der „Herrlichkeit der Macht“ des Islam. So wie
die Identität der „echten Schwarzen“ im Sinne Dickersens auf der
Identifizierung mit dem verlorenen Objekt „Würde“ beruht, gründet die Identität
des Islamisten auf seiner Identifizierung mit dem verlorenen Objekt „Ehre“ - im
Sinne der „Herrlichkeit der Macht“ des Islam. Und es sind die Ungläubigen, der
Kolonialismus, der US-Imperialismus, der globale Kapitalismus, die Juden,
Israel etc., die diese Ehre - in seinen Augen - mit Füßen getreten haben – und
treten.
„Amerika ist schlimmer als England, England ist schlimmer als Amerika,
die Sowjetunion ist schlimmer als alle anderen, alle sind schlimmer als alle
anderen ... alle unsere Probleme sind von Amerika gemacht, alle unsere Probleme
sind von Israel gemacht. Israel gehört zu Amerika.“
sagt Khomeyni an einer anderen Stelle der oben zitierten Rede.
Der Islamist, dem das Objekt „Ehre des Islam“ in der Gegenwart
verloren erscheint, und da er mit dem „Islam“ identifiziert ist, seine eigene Ehre - verloren oder
beschädigt oder bedroht –, dieser Islamist identifiziert sich nun, in Reaktion auf diesen Verlust, mit dem frühen Islam. Mit jenem vermeintlich
goldenen Zeitalter, in dem er die unbeschädigte
„Herrlichkeit der Macht“ des Islam noch
in Kraft sieht.
Zwischen dem Objekt Ehre und
dem Objekt Würde existiert aber ein
für unseren Zusammenhang entscheidender Unterschied.
Zwar ist entgegen anderslautender Behauptungen die Würde des Menschen -
siehe Amérys Rede vom „Würdeentzug“ – durchaus antastbar. „Würde“ ist also kein
vom gesellschaftlichen Außen gänzlich abgekapselter Wert. Dennoch verortet unsere
Alltagsintuition „Würde“ – nicht ganz zu unrecht - primär im „Innenraum“ der Subjekte.
Ehre hingegen
ist ein gesellschaftlich hergestellter, dem Subjekt von Außen zugeteilter und
im gesellschaftlichen Umgang leicht wieder zu zerstörender Wert. Und
dementsprechend verletzlich. Die Ehre ist daher auch in modernen Gesellschaften
ein rechtlich geschützes, weil zerbrechliches Gut (Ehrverletzungsdelikte). Daß
es, andererseits, um die Würde des
Menschen zu verletzen, oder sie ihm gar zu entziehen, viel radikalerer
Maßbahmen bedarf (siehe oben), scheint der erwähnten Alltagsintuition, welche die Würde des Menschen ungleich fester
in seinem Inneren verankert sieht als die Ehre, recht zu geben. Zumal, wenn uns
Ehre in der spezifischen Gestalt von Ezzat
begegnet: als Glanz, der die Macht umgibt, kann diese Art Ehre ihren Ort
natürlich nicht in subjektiver
Innerlichkeit haben, setzt sie doch die Herrschaft über real existierende
andere in der „handfesten“ äußeren Realität voraus.
wird
fortgesetzt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen